Zwist in der LeichtathletikTraditionsbruch? Ein Stück Holz sorgt für Knatsch
World Athletics will den Absprungbalken im Weitsprung abschaffen – Ikonen wie Carl Lewis sind entsetzt: «Ein Aprilscherz!»
Es brodelt gerade ziemlich in der Leichtathletikwelt. Dabei geht es um ein 20 Zentimeter breites Stück Holz, das Funktionäre weghaben und Athleten unbedingt behalten wollen.
Eines ist klar: An der Hallen-WM in Glasgow sind alle Weitspringerinnen und Weitspringer, alle Fünfkämpferinnen und alle Siebenkämpfer noch vom herkömmlichen Absprungbalken in die Sandgrube gesprungen. Doch damit soll bald Schluss sein, wenn es nach World Athletics und seinem Präsidenten Sebastian Coe geht.
Der Verband möchte das weisse Stück Holz durch eine Absprungzone ersetzen, die viel breiter ist als eben 20 Zentimeter und viel weniger schwierig zu treffen. Denn dem gültigen Weitsprung geht ja noch das Treffen dieses Balkens voraus. Künftig müssten die Athletinnen und Athleten nichts mehr treffen, sie dürften einfach in der neuen Zone abspringen, und die Weite würde vom Absprung bis zum Landepunkt gemessen.
World Athletics hat errechnet, dass 30 Prozent aller Sprünge ungültig sind. Die das ganze Programm verzögern bis lahmlegen, Coe nennt es «down time», dann, wenn eben im Weitsprung nichts läuft und deshalb Langeweile aufkommt.
Ebenfalls hat der Weltverband messen lassen, wie gross das Interesse des Publikums im Stadion und an den Fernsehgeräten an jeder Disziplin ist. Die Ergebnisse sind noch nicht veröffentlicht, offenbar hat man aber herausgefunden, dass der Weitsprung nicht zu den attraktivsten gehört, um es vorsichtig auszudrücken.
Ob da aber eine Absprungzone helfen würde? Der Aufschrei in der Szene und bei ehemaligen Branchenleadern ist gross. Carl Lewis, vierfacher Olympiasieger im Weitsprung, spricht von einem «Aprilscherz», und er fragt: «Sollte man die Körbe im Basketball auch vergrössern, weil sie die Spieler bei ihren Freiwürfen verfehlen?» Andere führen an, dass beispielsweise im Stabhochsprung auch ab und zu eine Latte falle, die wieder aufgelegt werden müsse und dadurch ziemlich Zeit vertrödelt werde.
Präsident Coe hat schon an der WM in Budapest im letzten Sommer gesagt, die Leichtathletik befinde sich «in einem Rennen gegen die Zeit». «Wir müssen anerkennen, dass die Leute heute Sport anders konsumieren, die Entwicklung ist schnell, wir müssen da mithalten.»
Zur Debatte steht also nun, 150 Jahre Tradition in einer Disziplin zu deponieren. Denn klar: Würde der Weitsprung mit einer solchen Zone runderneuert, fielen Vergleiche mit früher dahin. Weltrekorde blieben Weltrekorde – nicht mehr antastbar. Es begänne ein neues Zeitalter, «doch ohne Balken wäre der Reiz weg», wie Simon Ehammer findet.
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