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Nach Wochen der Verunsicherung Die Young Boys entlassen Raphael Wicky – Joël Magnin übernimmt

In 20 Monaten bei YB holt Raphael Wicky das Double. Dann wird ihm das nationale Geschäft zum Verhängnis. Ab sofort ist er nicht mehr Trainer der Berner.

Rund eine Stunde nach dem Abpfiff im Letzigrund, rund eine Stunde nach der Niederlage gegen den FC Zürich am Sonntagabend also, da sitzt Raphael Wicky an der Medienkonferenz. Gegen aussen wirkt er ruhig, eigentlich wie immer. Daran ändert auch der Dialog nichts, zu dem es zwischen ihm und dem Journalisten einer Online-Plattform kommt. Zwei Minuten geht dieser hin und her. Es geht um Fragen nach Wickys Befinden, ob er morgen noch Trainer der Young Boys sei, oder ob es angesichts der ausbleibenden Kommunikation zu seiner Person nicht auch um Respekt seitens des Vereins ihm gegenüber gehe.

Dann schiebt sich der Berner Medienchef zwischen Kaffeemaschine und Stehtischen hindurch und gibt dem Journalisten ein Zeichen. Mit den Worten: «Ist gut jetzt.» Ein letztes Mal kommt Wicky ein Clubvertreter zu Hilfe in diesem Moment. Am Montagmorgen, kurz vor 10 Uhr, gibt YB bekannt, dass Wicky seinen Job ab sofort los ist.

Die Situation sei festgefahren gewesen. Und die Mannschaft brauche frische Energie. So zitiert der Verein seinen Chefstrategen Christoph Spycher. Sportchef Steve von Bergen sagt: «Die Leistungen der Mannschaft entsprachen seit einiger Zeit nicht unseren Erwartungen.» Und: «Die Hoffnung wurde kleiner, dass sich die Lage in dieser Konstellation verbessern wird.»

In der neuen Konstellation steht Joël Magnin in der Verantwortung. Der 52-Jährige übernimmt das Team bis zum Ende der Saison. Er hat seine letzten Jahre als Spieler bei YB zugebracht, war dann Trainer im Berner Nachwuchs, zuletzt betreute er die U-21. Dazwischen war er Co-Trainer beim FC Zürich, und in der Saison 2019/20 leitete er Xamax während 31 Spielen in der Super League an. Zoltan Kadar bleibt Magnin als Assistent erhalten. Zudem stösst Ausbildungschef Gérard Castella zum Team. Er ersetzt Assistenztrainer Giuseppe Morello, der das Team zusammen mit Wicky verlässt.

Die Spieler grübeln

Nach 20 Monaten also endet Raphael Wickys Berner Zeit. In 88 Spielen hat er YB betreut. 51-mal siegte er, 17-mal verlor er, zuletzt dreimal in Folge. In seiner ersten Saison hat er das Double geholt, verpasste aber die Qualifikation für die Conference-League-Gruppenphase. In der laufenden Spielzeit führte er das Team dank dem Sieg gegen Roter Stern Belgrad auf den dritten Platz in der Champions-League-Gruppe. Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte überwinterte YB europäisch nach einer Gruppenphase in der Königsklasse.

Wicky wird aber das nationale Geschäft zum Verhängnis. Er ist im Cup gegen Sion ausgeschieden, den Tabellenführer der Challenge League. Und Wicky hat es in der Liga nicht geschafft, den Abstand auf Servette auszubauen oder nur schon zu bewahren. Nach zwei Liga-Niederlagen in Folge liegt noch ein Punkt zwischen Leader YB und den Genfern.

Dass YB jetzt handelt, obwohl die Berner noch immer Leader der Super League sind, hat vor allem mit der Verunsicherung zu tun, die in den letzten Tagen und Wochen augenscheinlich war. Sie war nicht nur von aussen zu beobachten. Trainer Wicky sprach davon. Sportchef von Bergen sprach davon. Und auch die Spieler muss die psychische Verfassung beschäftigt haben. Mittelfeldakteur Sandro Lauper beschreibt die Lage nach der Niederlage in Zürich so: «Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass wir die Verunsicherung nicht spüren. Man merkt es, wie jeder ins Grübeln kommt. So werden die Aktionen auf dem Feld unsauber. So verlieren wir Zweikämpfe, die wir sonst gewonnen haben.»

Lauper hat nicht das Gefühl, dass es diesem Team schlecht geht. «Wir pushen einander, führen viele Gespräche, die extrem positiv sind. Aber wenn du dann am Wochenende verlierst, dann fragst du irgendwann mal nach dem Sinn, oder inwiefern jeder Einzelne gemerkt hat, dass es fünf vor zwölf ist. Die Fans haben das vor dem Spiel gut beschrieben: Wir müssen aufwachen.»

«Ich verfalle nicht in eine Depression»

«Aufwachen und angreifen», so stand es auf der Banderole der Berner Fans im Letzigrund. Bis Ende Saison soll also Joël Magnin dieser Aufforderung nachkommen, während Wickys Aufgabe nicht mehr in der Betreuung des Teams besteht, sein Fokus richtet sich nun auf ihn selbst. Nach dem Spiel gegen Zürich sagt er noch: «Ich habe zwanzig Monate lang viel gewonnen. Dabei bin ich nie abgehoben. Und deswegen verfalle ich auch jetzt nicht in eine Depression.»

Wicky war 2018 als Trainer des FC Basel entlassen worden. 2021 erlebte er das gleiche Schicksal in Chicago. Und jetzt auch in Bern. Nach seinem letzten Spiel als YB-Trainer, nach dem 0:1 in Zürich, da sagt Wicky noch: «Die Nächte sind nicht angenehm, wenn du verlierst.» Und: «Mir geht es als Trainer nicht gut.»

Für YB geht der Alltag weiter, namentlich mit der Vorbereitung des Heimspiels gegen den FC Basel, der am Sonntag ins Wankdorf kommt. Wicky hat derweil Zeit, die letzten Wochen zu verarbeiten. Und man darf annehmen, dass er in dieser Phase der Aufarbeitung zum gleichen Schluss kommt wie in Chicago. Nach jener Entlassung sagte er: «Nicht persönlich nehmen.» Klingt gesund.