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YB in der Krise Selbst das Einfachste fällt dieser Mannschaft schwer

Zum Wegschauen – so gerät der YB-Auftritt beim Unterklassigen FC Sion.

Wie Durchhalteparolen. So klingt das, was YB-Trainer Raphael Wicky am Donnerstagabend spät in Sitten von sich gibt. Vom Zusammenstehen spricht er nach dem Ausscheiden im Viertelfinal gegen den Unterklassigen, vom Zusammenrücken. Es brauche jetzt: Leidenschaft. Einfachheit. Miteinander.

Wenn es nur so einfach wäre.

Erstmals überhaupt haben die Young Boys unter Wicky zwei Spiele in Folge verloren. Sie haben sich dazu den dümmstmöglichen Zeitpunkt ausgesucht. Die Niederlagen gegen Servette und Sion erschüttern das stabile Berner Konstrukt. Und könnten die Wucht entfalten, die Trainer Raphael Wicky in den Abgrund reisst. Dem Fussballblog «Zum Runden Leder» gelingt die schöne Alliteration: Wickys Waterloo im Wallis.

Ein Saisonende ohne Wicky? Was kürzlich noch abwegig war, ist jetzt vorstellbar.

Fussball könnte so einfach sein

Es kann schnell gehen im Fussball. In dieser Sportart, die sich zwar in die kleinsten taktischen Aspekte aufschlüsseln lässt, in der komplizierte Statistiken als Erklärungen herbeigezogen werden können. In der aber immer wieder vor allem eines zählt: der Flow.

Siegen kann einfach sein. Wenn es läuft. Dann schwebt eine Mannschaft, dann wissen die Spieler manchmal nachher nicht, wie sie eine Partie gewonnen haben. Sie hinterfragen es auch nicht. Sie machen es. In solchen Phasen ist es ein Leichtes, den Teamgedanken zu leben. Viele sind zufrieden. Und die, die es nicht sind, haben es schwer, aufzumucken.

Im Umkehrschluss bedeutet das auch: Läuft es nicht, ist Fussball plötzlich schwierig. Für die Young Boys ist er das gerade. Das wird in Sitten augenfällig. Itten vergibt Chancen, die er vor Monaten noch mit einer lockeren Selbstverständlichkeit verwertet hätte. Sandro Lauper unterlaufen Fehlpässe, die die Frage aufwerfen: Was ist nur aus dem einst so spielstarken Strategen geworden? YB hat keine Automatismen, ist keine Einheit. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt. Lauper sagt: «Wir sind zu spät aufgewacht. Und Sion macht die Tore, dann ist Fussball einfach.»

Für den FC Sion ist Fussball einfach. Als unangefochtener Tabellenführer der Challenge League ist er im Flow. Am Donnerstagabend wird er dazu vom Publikum getragen – im stimmungsvollen Tourbillon, das aufgeladen ist von der Sehnsucht nach genau solchen Abenden.

Ein Empfang, der den Ton setzte: Die Sion-Equipe wurde stimmungsvoll begrüsst. Und zeigte dann einen feurigen Auftritt.

Wicky kommt nach dem 1:2 im Tourbillon als Letzter aus der YB-Kabine. Draussen vor dem Stadion wartet der Mannschaftsbus mit laufendem Motor. Der Walliser, beim FC Sion gross geworden, legt den voll geschöpften Teller beiseite. Energiezufuhr für Spieler wie Trainer, es geht ja weiter. Aber wie? Wicky wirkt ratlos.

Die Niederlage sei verdient, sagt der Trainer. Die Sittener seien feuriger gewesen. «Sie haben im Zentrum mehr Zweikämpfe gewonnen. Ich will der Mannschaft nicht vorwerfen, dass sie nicht genug läuft. Wir laufen. Aber diese Zweikämpfe müssen wir gewinnen.»

Zweikämpfe gewinnen. Wenn es nur so einfach wäre. Die Berner Mängel gehen tiefer.

Die verhängnisvolle Trainerfrage

Das Cup-Aus stürzt YB in die Krise. Und ein Umschwung ist nicht in Sicht. Die Niederlagen gegen Servette und Sion können nicht als Ausrutscher abgetan werden. Sie haben sich abgezeichnet. Sie sind die Folgen von Fehleinschätzungen.

Es beginnt zuoberst in der Führungsetage. Sie hat den Substanzverlust durch die Abgänge unterschätzt. Sie hat im Winter mit Jean-Pierre Nsame und Ulisses Garcia noch einmal zwei wichtige Spieler abgegeben. Sie wähnte sich in Sicherheit. Und spielte das Szenario der verletzungsbedingten Ausfälle von Filip Ugrinic und Loris Benito nicht durch. Bezeichnend, wie mit Donat Rrudhani Anfang Februar der vielleicht formstärkste Mittelfeldspieler an Lausanne abgegeben wurde. Ihn könnten die Young Boys gerade gut gebrauchen.

Natürlich: Im Nachhinein ist man immer schlauer. Aber das Antizipieren von Strömungen und Gefahren war bislang eine Stärke der YB-Führung.

Dazu kommt die Fehlkalkulation in der Trainerfrage. Wicky vermittelt zwar schon länger den Eindruck, nicht unbedingt in Bern bleiben zu wollen. Aber die Führungscrew um Chefstratege Christoph Spycher und Sportchef Steve von Bergen machte auch nie den Anschein, unbedingt mit dem 46-Jährigen weiterarbeiten zu wollen. Ansonsten hätte sie allerspätestens in der Winterpause auf eine Vertragsverlängerung gedrängt.

YB war zu diesem Zeitpunkt Erster, überwinterte europäisch, stand im Cupviertelfinal. Die Young Boys fürchteten da offenbar, dass es ihnen als unverhältnismässig oder überheblich ausgelegt werden könnte, wenn sie das Ende der Zusammenarbeit mit Wicky ab Sommer mitteilen. So entstehen dann Ausreden wie jene von Bergens, der vor dem Rückrundenstart beteuerte, es sei bisher keine Zeit für tiefer führende Gespräche geblieben.

Abwarten, Entscheidungen, zumindest öffentlich, herauszuschieben, fadenscheinig zu kommunizieren – das ist selten die richtige Gangart. Und hat im Fall der Young Boys nur dazu geführt, dass die Position von Wicky destabilisiert ist.

Kaum einer hat sich unter Wicky entwickelt

Spieler brauchen Visionen und Wertschätzung. Sie müssen das Gefühl haben, dass sie weiterkommen. Dass sie sich in eine gute Position für die Zukunft bringen können. Dass da draussen Abnehmer auf sie warten. Ein Trainer, von dem das Team ahnt, dass er spätestens im Sommer nicht mehr sein Chef ist, kann ihm das höchstens bedingt vermitteln. Dieses Problem hätte eine offene Kommunikation nicht verhindert. Aber diese hätte zumindest für Klarheit gesorgt. Und verhindert, dass Nebenschauplätze entstehen.

Läuft die Zeit von Trainer Raphael Wicky bei YB bald ab?

Dass sich unter Wicky viele Spieler nicht wie gewünscht entwickeln, trägt zum Substanzverlust bei. Cheikh Niasse ist keinen Schritt weiter als vor zwei Jahren, als ihn die Young Boys als Mittelfeldhoffnung aus der Ligue 1 holten. Aurèle Amenda müsste ein dominanter Verteidiger in der Schweiz sein – mit seinem Talent, mit all den körperlichen Vorzügen, die er hat und die dazu führten, dass Eintracht Frankfurt für ihn bis zu 15 Millionen Euro bezahlt. Aber auch Amenda ist kaum weiter als vor eineinhalb Jahren. In Sitten leistete er sich haarsträubende Fehler.

Lauper, Itten, Monteiro, Males – die Liste könnte fast beliebig verlängert werden. Jene der Spieler, die unter Wicky Fortschritte erzielt haben, ist dagegen kurz. Jener, auf den das am meisten zutrifft, ist Ugrinic. Und der ist verletzt.

Wird der FCZ zum Glücksfall?

Wicky muss jetzt zeigen, dass er das Team stabilisieren und zurück auf den Erfolgskurs bringen kann. Gelingt ihm das nicht, muss er eine Entlassung fürchten. Ein Trainerwechsel könnte einen neuen Impuls geben, aber ein Allheilmittel wäre er nicht. Dafür sind die Probleme zu vielschichtig.

Das Glück der Berner ist es, dass sie am Sonntag mit dem FC Zürich auf einen Gegner treffen, der ebenfalls nicht im Flow ist. Der sich auch unnötigerweise vom Kurs abbringen liess, indem er die Position von Trainer Bo Henriksen destabilisierte. Und ihn dann in die Bundesliga verlor. Ein Club auch, der gerade alles überdenkt und alles auf einmal ändern will. Und glaubt, mit etlichen Nachwuchsspielern konkurrenzfähig zu sein.

Diese Chance sollten die Berner nutzen. Vor nicht allzu langer Zeit hätten sie das auch getan. Aber so wie es sich bei ihrem Stürmer Itten verhält, so verhält es sich im ganzen Team: Die Selbstverständlichkeit ist verflogen.