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Umstrittener EntscheidDie Schwingerinnen stossen die Migros vor den Kopf

Die Schwingerinnen sind in zwei Lager gespalten: Die einen wollen mehr Aufmerksamkeit, die anderen die sportliche Attraktivität bewahren.

Der 2. September 2023 hätte ein Wendepunkt für die Schwingerinnen sein können. Als Angela Riesen am Eidgenössischen in Grächen Königin wurde, berichtete darüber sogar die «Tagesschau». So viel Aufmerksamkeit für eine Schwingerin – das ist überaus selten. Nun könnte man meinen, dass diese Entwicklung auf breite Zustimmung stösst. Schliesslich fristen die Frauen sonst ihr sportliches Dasein im Schatten der populären Männer. Doch im Eidgenössischen Frauen-Schwingverband (EFSV) gehen die Meinungen darüber gerade weit auseinander.

Der Grund: Im letzten Jahr wurde die Schwingerkönigin erstmals am Eidgenössischen und nicht mehr wie bisher aufgrund der Jahreswertung gekürt. Es sollte eine Angleichung an die Männer sein, die aus dem einst verpönten «Bauernsport» ein Big Business gemacht haben. Doch die Schwingerinnen haben sich nun an der Generalversammlung, angestossen durch einen Antrag des Frauen-Schwingclubs Steinhuserberg, zum Salto rückwärts entschlossen. Ab sofort entscheidet wieder die Jahreswertung, wer Königin wird. Dieser Beschluss hat Konsequenzen.

Der Wunsch: Mehr Popularität

Im letzten Jahr stieg die Migros als Hauptsponsorin beim EFSV ein. Gemeinsam mit dem Eidgenössischen Schwingerverband der Männer (ESV), der bereits im Austausch mit dem EFSV stand, regte der Grossverteiler die Modusänderung bei den Frauen an. Die Migros hat im Sägemehl viel Gewicht. Seit 2007 ist sie Königspartnerin bei den Eidgenössischen Schwingfesten und hat mit der Vermarktung erheblich zur Popularität der Schwinger beigetragen.

Einen fünfstelligen Betrag lässt sich die Migros das Engagement bei den Schwingerinnen kosten. Den Deal eingefädelt hat der unterdessen zurückgetretene EFSV-Präsident Benjamin Beyeler, gemeinsam mit der ehemaligen Medienverantwortlichen Natalie Siffert. Sie erhofften sich, das Frauenschwingen dadurch populärer zu machen und mehr Mädchen und Frauen dafür zu begeistern. Derzeit gibt es rund 200 aktive Schwingerinnen, wobei drei Viertel davon dem Nachwuchs angehören. Zum Vergleich: Der ESV kommt auf rund 6000 Aktive.

Für drei Jahre sollte das Pilotprojekt mit dem Eidgenössischen als Saisonhöhepunkt gültig sein. Weil die Zeit drängte, entschied der Vorstand in Eigenregie über den Moduswechsel. «Vielleicht war das zu überstürzt, einige Schwingerinnen fühlten sich vor den Kopf gestossen», sagt Beyeler.

Es fehlt an Schwingerinnen

Mit 23:19 – und bei vielen Enthaltungen – entschieden sich die Schwingerinnen gegen den neuen Modus. Das knappe Resultat zeigt, wie gespalten die Szene ist. Die neue Präsidentin Franziska Ruch spricht von einem Rückschlag. «Es ist schade, haben wir uns nicht drei Jahre Zeit gegeben, um zu schauen, wie sich das Ganze entwickelt.»

Anders beurteilt Manuela Dreyer, Präsidentin des Frauen-Schwingclubs Steinhuserberg, die Situation. Ihr Hauptargument gegen den Modus ist die fehlende Breite: Nur 27 Frauen traten zum Eidgenössischen an, weshalb es gar nicht möglich war, eine Selektion zu treffen. 17 von ihnen hatten zudem noch keinen Kranz gewonnen. Zum Vergleich: Für das Eidgenössische der Männer in Pratteln wurden 274 selektioniert, darunter nur ganz wenige Nichtkranzer. «Theoretisch hätte eine Nichtkranzerin Königin werden können. Wollen wir das? Ist das wirklich gute PR für den Sport?», fragt Dreyer rhetorisch.

Die Entlebucherin ist selbst Kranzschwingerin. Sie sagt, erst müsse die Basis gestärkt werden, ehe über einen Moduswechsel nachgedacht werden könne. Während der Corona-Pandemie hat fast die Hälfte der Aktiven aufgehört. Mädchen will Dreyer nun am Eidgenössischen Schnuppertag, der jeweils im Herbst stattfindet, für den Sport begeistern. Und sie möchte die Zusammenarbeit mit den Männern intensivieren, etwa mit gemeinsam organisierten Festen.

Welche Folgen hat der Vertragsbruch?

Bleibt die finanzielle Komponente. Mit dem Rückzug hat der EFSV Vertragsbruch gegenüber der Migros begangen. Das Unternehmen sei vorgängig über die Abstimmung informiert worden, schreibt Mediensprecher Patrick Stöpper auf Anfrage. «Wir waren überrascht und haben zum Ausdruck gebracht, dass wir darin einen Rückschritt in der Entwicklung des Frauenschwingens sehen.» Die Migros will sich dennoch weiter engagieren – stellt sich nur die Frage, wie stark. «Wir sind in Kontakt mit Franziska Ruch, um eine Lösung zu finden, wie die Partnerschaft zukünftig aussehen wird. Wir sind zuversichtlich, dass wir uns finden werden», sagt Stöpper.

Präsidentin Ruch ist derzeit an mehreren Fronten gefordert. Eigentlich sollte das Eidgenössische in diesem Jahr mit dem Nachwuchsschwingertag der Jungen in Sion durchgeführt und so einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden. «Nun besteht das Worst-Case-Szenario, dass es gar kein Eidgenössisches gibt, oder dieses in einer anderen Form durchgeführt wird», sagt Ruch.