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Djokovic-Bezwinger Jannik SinnerWeil er zu leicht war, wechselte er vom Ski zum Tennis

Das Lächeln des Siegers: Jannik Sinner nach seinem Coup über Novak Djokovic.

Dieser Text erschien in ähnlicher Form bereits am 14. Juli 2023. Nach Jannik Sinners Coup haben wir ihn aktualisiert.

Wäre Jannik Sinner kräftiger gebaut, er wäre wahrscheinlich gar nie Tennisprofi geworden. Denn die erste Liebe war für ihn, der im malerischen Innichen im Pustertal aufwuchs, am Fusse der Dolomiten, das Skifahren. Die Piste ist von seinem Heimatdorf zu Fuss erreichbar, dort finden heute Skicross-Weltcuprennen statt. Sinner war mit acht in seiner Altersklasse italienischer Meister im Riesenslalom, mit zwölf wurde er Zweiter. Hätte er aufs Skifahren gesetzt, vielleicht hätte es dann statt der Duelle mit Novak Djokovic und Carlos Alcaraz solche gegen Marco Odermatt gegeben.

Doch fürs Tennis war es gut, dass sich der schlaksige Südtiroler mit 13 für den Ballsport entschied. Er sei überrascht und erfreut gewesen, als ihm das Jannik gesagt habe, erzählte sein erster Tennislehrer Heribert Mayr kürzlich der «Neuen Südtiroler Tageszeitung». Denn im Tennis hatte Sinner noch keine nationalen Titel gewonnen. Doch im Skifahren sei er allmählich zurückgefallen, weil ihm das Gewicht gefehlt habe. «Er wog mit zwölf nur 30 Kilo, die anderen schon 50. Auf den flachen Pisten hatte er mit diesem Körpergewicht keine Chance. Deshalb hat er sich fürs Tennis entschieden.»

Die Enttäuschung des Jahres 2022

Am Australian Open hat Sinner nun mit seinem Sieg über Novak Djokovic den ersten ganz grossen Coup geschafft. Bisher flog er etwas unter dem Radar, sprachen alle von Carlos Alcaraz, der mit dem US-Open-Titel 2022 zur jüngsten Nummer 1 wurde und in Wimbledon 2023 im Final Novak Djokovic niederrang.

Die französische «Equipe» erkor Sinner Ende 2022 wegen seiner verpassten Chancen wie in Wimbledon, als er gegen Djokovic eine 2:0-Satzführung verspielte, zum enttäuschendsten Spieler bei den Männern. Zu seinem Pendant bei den Frauen wurde Emma Raducanu gewählt, die nach ihrem US-Open-Titel 2021 völlig abstürzte und aus den Top 100 fiel.

Im Vergleich zu Alcaraz, der schon immer sehr früh dran war, brauchte Sinner etwas mehr Zeit, um sich körperlich zu entwickeln. Noch heute wirkt er mit seinen dünnen Beinen nicht wie ein Topathlet. Er gehe in den Kraftraum, auch wenn man das nicht sehe, scherzte er in Melbourne. Doch so feingliedrig er aussieht, er kann den Ball exzellent beschleunigen. Was wieder einmal zeigt: Entscheidend ist im Tennis nicht die Kraft, sondern das Timing.

Furchtlos wie auf der Skipiste

Sinner ist ein Bewegungstalent. Koordinativ und motorisch sei er schon mit acht Jahren hervorragend gewesen, erinnert sich sein Jugendcoach Mayr. «Technisch etwas weniger.» Deshalb zog er mit 13 von den Bergen an die italienische Riviera nach Bordighera, wo er in der Akademie von Riccardo Piatti zum Tennisprofi geschliffen wurde. Wie vor ihm schon Novak Djokovic oder Ivan Ljubicic.

Was Piatti beeindruckte: Wie Sinner immer bestrebt war, in den Ballwechseln die Initiative zu übernehmen. «Das sieht man bei so jungen Spielern nicht oft», sagte Piatti einmal gegenüber der «New York Times». So, wie er sich furchtlos die Pisten hinabgestürzt habe, spiele er auch Tennis.

Er spricht urigen Südtiroler Dialekt

Weil auf der Tour keine Journalistinnen oder Journalisten aus Südtirol unterwegs sind, hört man Sinner da nur Englisch und Italienisch sprechen. Dabei ist seine Muttersprache Deutsch, oder genauer: Südtiroler Dialekt, was ziemlich urig tönt. Seine Herkunft als Bergler sieht man Sinner heute kaum mehr an. Er posierte gern in schicken Kleidern für Fotoshootings und ist seit 2022 Markenbotschafter für Gucci. In Wimbledon lief er vergangenes Jahr mit einer Gucci-Reisetasche auf den Court.

Ein PR-Coup: In Wimbledon 2023 lief Jannik Sinner mit einer Gucci-Reisetasche auf den Court.

Der Werbestunt, der von Wimbledon erstaunlicherweise abgesegnet wurde, sorgte für Aufsehen. «Ich will auch eine!», scherzte damals sein argentinischer Gegner Diego Schwarzman.

Sinners Agent Lawrence Frankopan, der auch Stan Wawrinka betreut, hatte mit dem Südtiroler ein gutes Händchen. Bei Nike unterschrieb Sinner einen Zehnjahres-Vertrag über 158 Millionen Dollar, er wirbt auch für Rolex, Alfa Romeo, Lavazza oder das Telekommunikationsunternehmen Fastweb und ist das Gesicht für italienischen Parmesan-Käse. Nicht nur sportlich, auch finanziell hat es sich für ihn ausgezahlt, dass er aufs Tennis und nicht auf den Skisport setzte.