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Tennis-Hoffnung Leandro RiediEr verzichtet auf Süssigkeiten und startet durch

Emotionen pur: Leandro Riedi gewann zum Saisonauftakt das Challenger-Turnier im portugiesischen Oeiras.

Der Triumph von Jannik Sinner am Australian Open war ganz nach dem Gusto von Leandro Riedi. «Sinner ist mein Lieblingsspieler», sagt er. «Auch von seiner Persönlichkeit her. Ich kenne ihn nicht megagut, habe aber zwei-, dreimal kurz mit ihm geredet und einmal mit ihm trainiert. Er ist total lieb und bodenständig. Und sein Spiel ist wunderschön, so athletisch und ruhig. Er macht einfach sein Ding, ohne Drama. Ich bin sehr happy, ist es so herausgekommen.»

Einige Stunden nachdem Sinner in Melbourne am Sonntag im Final Daniil Medwedew in einem Fünfsatzkrimi geschlagen hatte, triumphierte Riedi 16’000 Kilometer entfernt im belgischen Ottignies-Louvain-La-Neuve. Als Qualifikant angetreten, gewann er am exzellent besetzten Challenger-Turnier sieben Matches in Serie. Im Final liess er Borna Coric beim 7:5, 6:2 keine Chance. Der Kroate, einst die Weltnummer 12, war beeindruckt vom Niveau des Schweizers.

Strahlender Sieger: Leandro Riedi im belgischen Ottignies-Louvain-La-Neuve.

Nach einem enttäuschenden, von Verletzungen geprägten 2023 ist Riedi exzellent ins neue Jahr gestartet. Auf Rang 320 zurückgefallen, hätte er auf zahlreiche Absagen hoffen müssen, um noch in die Qualifikation fürs Australian Open zu rutschen. Aufs Geratewohl um die halbe Welt zu fliegen, wollte er nicht riskieren – obschon das Australian Open sein Lieblingsturnier ist. Also schrieb er sich für drei Challenger-Turniere in Europa ein, von denen er zwei gewann. Das erste im portugiesischen Oeiras, einer Kleinstadt in der Nähe von Lissabon.

Mit 12 Siegen aus 13 Partien machte er im Januar 145 Ränge gut. Als Nummer 175 ist er diese Woche in der Davis-Cup-Begegnung im holländischen Groningen in Abwesenheit von Stan Wawrinka (56) und Dominic Stricker (95) die Schweizer Nummer 1. So schnell kann es gehen.

«Dass es gleich so gut läuft, hätte ich nicht erwartet», sagt er. «Aber nach dem intensiven Aufbau im Dezember begann ich die Saison mit einem guten Gefühl.» Riedi trainierte bei Swiss Tennis in Biel mit Athletikcoach Beni Linder und gönnte sich selbst über die Festtage kaum eine Pause. Nur vier Tage nahm er frei: am 24., 25. und 31. Dezember und am 1. Januar.

Seine Verletzungsserie

Dass der 22-Jährige den Ball beschleunigen kann wie nur wenige, ist bekannt. Doch zuletzt liess ihn der Körper immer wieder im Stich. Anfang 2023 erlitt er einen Bänderriss im linken Fuss, im März fiel er mit einer Stressfraktur im linken Fuss zwei Monate aus, im Herbst machte ihm der Rücken zu schaffen.

Er schaue nun noch viel mehr zu seinem Körper, habe Süsses und Süssgetränke stark reduziert und verbringe viele Stunden beim Physiotherapeuten, sagt er. Nur schon im Vergleich zu den Swiss Indoors im vergangenen Oktober, wo er in der Startrunde gegen den späteren Sieger Félix Auger-Aliassime verlor, sei er viel fitter. «Aber mein Körper hat noch viel Potenzial.»

Voll konzentriert: Leandro Riedi in Aktion in Belgien.

Doch nicht nur der Körper, auch der Kopf muss stimmen. Er habe sich im Finish des vergangenen Jahres, als er viele Punkte zu verteidigen hatte, zu sehr unter Druck gesetzt, sagt Riedi kritisch. «Ich war mental nicht auf der Höhe. Nun habe ich meine Einstellung geändert: Ich sehe Tennis als meinen Job an. Es ist mir sehr wichtig, aber es ist mein Job, nicht mein Leben. Mein Leben geht genau gleich weiter, ob ich verliere oder gewinne. Ich bin kein besserer Mensch, wenn ich mit dem Pokal nach Hause komme.»

Steinegger als Coach und Freund

Auf seinem Weg unterstützt ihn der Baselbieter Yannik Steinegger, mit dem er schon Ende 2023 an einige Turniere reiste, unter anderem nach Japan. Der 23-Jährige ist die Nummer 20 der Schweiz und selber noch aktiv, weshalb sie für 2024 nur gut zehn gemeinsame Woche planten. Doch nach den beiden Challenger-Titeln zum Saisonauftakt dürften es mehr werden. Vom Franzosen Cyril Cornu trennte sich Riedi im November.

«Wir sind gute Freunde», sagt Riedi über Steinegger. «Im Tennis ist er der Boss. Aber wenn der Job gemacht ist, können wir neben dem Court noch andere schöne Dinge erleben. Und darauf haben die Resultate keinen Einfluss. Er hat mir mental geholfen. Ich bin ihm sehr dankbar.» Da Steinegger aber nicht das ganze Jahr verfügbar ist, sucht Riedi noch einen weiteren Coach.

Das Potenzial des Finalisten des Juniorenturniers des French Open 2020 ist gross, doch nun gilt es, die verschiedenen Puzzleteile zusammenzufügen. Er sagt: «Das Wichtigste ist, dass ich die Saison verletzungsfrei durchspielen kann. Und dass ich mental bei mir bleibe. Dann kommt das Ranking automatisch.» Er setze sich keine bestimmte Zahl als Ziel, «aber ich wäre sehr happy, wenn ich das nächste Jahr im Hauptfeld des Australian Open beginnen könnte». Also in den Top 100.

Er ist Zürcher, nicht Thurgauer!

Riedi ist nur fünf Monate jünger als Sinner, der in Melbourne bereits den Tennis-Olymp erklomm. Die Jungen sind auf dem Vormarsch. «Natürlich bekomme ich das mit», sagt Riedi. «Wenn ich sehe, wie Arthur Fils durchgestartet ist. Anfang 2023 war er die Nummer 250, jetzt ist er bald in den Top 30. Im Februar trainierte ich mit ihm und war komplett ebenbürtig. Klar, motiviert einen das. Aber am Schluss macht jeder seinen eigenen Weg.»

Ach ja, etwas möchte Riedi noch loswerden, wenn er schon gerade in den Schlagzeilen ist. Er kam zwar in Frauenfeld zur Welt, lebte aber stets in Zürich. «In den Medien werde ich immer wieder als Thurgauer bezeichnet. Das ist falsch. Ich bin ein Zürcher, durch und durch.» Gut, ist das nun geklärt.