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Skitour im PrättigauMit Jauchzern durch den knietiefen Neuschnee

Zum Start geht es durch den frisch verschneiten Tannenwald im Alpbachtobel.

Wenn der Powder stiebt, dann hüpft das Herz: Es gibt nichts, absolut nichts Schöneres, als auf den Ski oder dem Board durch unberührten Tiefschnee zu gleiten. Doch dieses Hochgefühl will verdient sein. Denn in der Nähe eines Skilifts ist von unberührt meist keine Spur. Also muss man selber den Hang hochstapfen und vor allem: Man muss sich der Gefahren abseits der Piste bewusst sein und das Risiko stets abwägen.

An diesem Donnerstag wollen wir zu dritt auf Tour gehen. Wir, das sind Alexandra, Beat und Andrea. Und in dieser Dreierkonstellation sind wir nicht zum ersten Mal unterwegs. Daher ist auch klar, dass Alexandra den Lead übernehmen wird. Zwar ist sie mit 45 Jahren die Jüngste im Bunde, doch sie verfügt von uns dreien über die grösste Erfahrung.

Alexandra schlägt die Region St. Antönien im Prättigau vor. Ein Blick auf die Neuschneekarte in der App White Risk des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) zeigt, dass in dieser Ecke an den beiden Vortagen 10 bis 20 Zentimeter Neuschnee gefallen sind. Das Lawinenbulletin meldet für die Region «Gefahrenstufe mässig (2+) an Nordwest- über Ost- bis Südhänge über 2200 m». Andrea, die Schreibende, ist hingegen erfahrungsgemäss die konditionell Schwächste des Trios. Sie plädiert darum für eine moderate Tour um die 1000 Höhenmeter.

So sieht die Karte von Swiss Topo aus, die Hangneigungsklassen ab 30 Grad anzeigt.

Beim Blick auf die App von Swiss Topo mit aktivierten Skirouten und Hangneigungsklassen ab 30 Grad findet Andrea Gefallen am Hasenflüeli (2411 m). Hier ist sowohl eine Rundtour mit Überschreitung eines Jochs möglich als auch eine Abfahrt entlang der Aufstiegsspur. Zudem liegen nur gerade die obersten 200 Höhenmeter im Gefahrenbereich «mässig (2+)».

Gelb und Rot für riskante Hänge

Und in dieser Höhenlage ist auch nur gerade der Gipfelhang auf der Karte Gelb und Rot eingefärbt. Diese Farben markieren Hänge über 30 Grad, also steil genug , damit Lawinen anbrechen können. So weit, so gut die Auswahlkriterien. Aber mit dem Argument, dass das Hasenflüeli auch so schön harmlos klinge, verrät Andrea, dass man sich im Zweifelsfall lieber nicht auf diese Beurteilung verlässt.

Alexandra kennt die Tour noch nicht, ist aber mit der Wahl einverstanden. So beschliessen wir, den Hasenhügel am folgenden Morgen ab Hotel Bellawiese unweit von St. Antönien Platz in Angriff zu nehmen und wenn möglich als Rundtour via Abfahrt ins Gafiatal zu beenden.

Meteo Schweiz kündigt für die Nacht weitere Niederschläge an. Als wir vor dem Frühstück aus dem Hotelfenster blicken, frohlocken wir: Es sind mindestens nochmals 15 Zentimeter Schnee gefallen. Nun ist es aber auch Zeit, nochmals ins Bulletin zu schauen, das jeweils um 8 Uhr aktualisiert wird. Im Gegensatz zu den benachbarten Regionen am nördlichen Alpenkamm liegt die Gefahrenstufe rund um St. Antönien zum Glück noch nicht im Bereich «erheblich», sondern immer noch bei «mässig (2+)». Sie gilt jetzt allerdings schon oberhalb von 2000 Meter über Meer, also 200 Meter weiter unten als noch zuvor. Das bedeutet, dass wir auf der Tour länger in der kritischen Höhenlage unterwegs sein werden.

Wind und Schneedecke wirken sich auf die Gefahrenlage aus

Es wird vor Triebschneeansammlungen gewarnt, da seit zwei Tagen ein zuweilen stürmischer Westwind weht. Die Temperatur hingegen ist kein Problem: Für die Mittagszeit werden auf 2000 Meter über Meer um die 0 Grad prognostiziert, zudem soll sich die Sonne am frühen Nachmittag zeigen. Ebenfalls beruhigend ist, dass die unter dem Neuschnee liegende Altschneedecke gemäss Bulletin günstig aufgebaut ist und dort keine Brüche zu erwarten sind.

Kurz nach 9 Uhr brechen wir im Schneetreiben auf. Dank Streusiedlungen, die das Weiss strukturieren, ist die Sicht trotzdem relativ gut. Und eine besondere Freude ist es natürlich, durch den frisch verschneiten Tannenwald im Alpbachtobel zu stapfen.

Nach der Ascharingeralp verliert das Gelände an Struktur, und wir müssen uns ein paarmal mit einem Blick auf die Karte orientieren. Wir haben sie vorgängig auf unsere Handys geladen, damit der für uns relevante Kartenausschnitt auch in einem Funkloch verfügbar wäre. Dabei haben wir je nach persönlicher Vorliebe die Apps von Swisstopo, White Risk oder vom SAC benutzt. Als Back-up hat Alexandra zudem noch ein Navigationsgerät im Rucksack.

Ein Start eine Stunde später hätte die Sicht am Gipfel wohl verbessert.

Wir erreichen den Gipfelhang zur Mittagszeit. Zu früh, wie sich herausstellen wird. Denn die Sonne mag noch nicht durchdrücken, und die Sicht ist nicht wirklich gut. Das Gipfelkreuz steht nicht zur Diskussion. Denn es erfordert eine Kletterei durch eine steile Rinne und wäre für das schwächste Glied des Trios auch bei perfekten Bedingungen eine Herausforderung, geschweige denn bei Schneetreiben und Windchill. Niedlicher Name hin oder her: Das Hasenflüeli hat es eben doch in sich.

Alexandra mutet uns aber durchaus noch eine kleine Challenge zu. Sie entscheidet, nicht einfach nordwestlich vom Gipfel ins Gafiatal abzufahren, sondern erst den Südostgrat zu queren. Hier ist besondere Vorsicht geboten. Es gilt weder auf dem Eis noch mit Triebschnee zu rutschen, da rechter Hand der Absturz über eine Felswand droht. An der Spitze der Gruppe stochert Alexandra immer mal wieder im Schnee, um seine Konsistenz zu prüfen. Auch ordnet sie zehn Meter Abstand an. So wirkt jeweils nur das Gewicht einer Person auf eine allfällig instabile Schneedecke.

Wie eine Welle vor dem Brechen hängt die Schneewechte vor dem Hasenflüeli über dem Joch.

Nach erfolgreicher Bewältigung dieser Schlüsselstelle gilt es noch die Wechte zu meistern. Sie lappt wie eine riesige Welle kurz vor dem Brechen über das Joch. Gemäss der Karte führt die Route mehr oder weniger über den tiefsten Punkt des Übergangs. Doch hier müssten wir die Wechte durchbrechen. Das scheint uns zu gefährlich. Also steigen wir nochmals ein paar Meter auf – und siehe da, hinter einem grösseren Stein öffnet sich ein Durchgang mit einem sanften Einstieg in den ansonsten steilen Nordosthang.

Weil es so schön war, gleich nochmals

Aber wir wissen auch: Der Wind hat gewütet, und gerade hinter der Wechte können sich störanfällige Triebschneeansammlungen gebildet haben. Darum fahren wir einzeln los und sammeln uns auf der ersten Kuppe wieder. Danach fällt die Anspannung von der Gruppe ab, und wir kurzschwingen uns mit Jauchzern durch den knietiefen Neuschnee, der hier vor dem Westwind geschützt noch herrlich luftig liegt.

Die Routenwahl hat sich eindeutig gelohnt. Einzig die Sicht könnte besser sein. Erst als wir am Talboden ankommen, zeigt sich die Sonne zwischen den Wolken, und nach der Stärkung aus dem Rucksack ist der Himmel so blau, dass wir nochmals 400 Höhenmeter aufsteigen, um denselben Hang erneut zu fahren.

Weil es so schön war, gönnt sich die kleine Tourengruppe gleich noch eine zweite Abfahrt.

Im Rückblick sind wir uns einig: Wir hätten eine Stunde später aufbrechen sollen. So hätten wir bereits bei der ersten Abfahrt volle Sicht gehabt. Beat und Andrea sind sich auch sicher, dass sie sich ohne Alexandras Know-how nicht an den Gipfelgrat und die Wechte gewagt, sondern die einfachere Abfahrt gewählt hätten. Und das ist gut so, denn man sollte seine Grenzen kennen – immer.

Neue Warnstufen im Lawinenbulletin

Dabei sind die neu eingeführten Zwischenstufen im Lawinenbulletin des SLF hilfreich. Das Bulletin beschreibt die Lawinengefahr grundsätzlich auf der fünfstufigen Skala von «gering» (Stufe 1) über «mässig» und «erheblich» bis zu «gross» und «sehr gross» (Stufe 5).

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Im vergangenen Jahr wurde diese Skala durch eine Angabe ergänzt, ob die Gefahr eher im unteren Bereich (–), etwa in der Mitte (=) oder eher im oberen Bereich (+) der Gefahrenstufe liegt, was dem sich kontinuierlich entwickelnden Verlauf der Lawinengefahr besser entspricht.

Die neue Unterteilung erfolgt ab Stufe 2 und gilt ausschliesslich für trockene Lawinen. SLF-Experte Jürg Trachsel betont zudem, dass die zu den Gefahrenstufen angegebenen Höhen nie als scharfe Grenzen betrachtet werden sollten. Und dass sich Lawinen nicht nur in der im Bulletin angegebenen Höhenlage lösen können. Dort seien sie zwar besonders wahrscheinlich, jedoch können sie grundsätzlich an jedem Hang, der steiler als 30 Grad ist, anbrechen.