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Skilehrer und FeuerwehrmannEr führt ein Leben zwischen Pisten und Flammen

Kilian Waltherts Leben dreht sich um Schnee und Feuer.

Er tritt über die Schwelle der Skilehrerhütte von Adelboden, und augenblicklich ist klar, Kilian Walthert ist ein Menschenfreund: Hinter der Bistrotheke empfängt ihn der Betriebsleiter wortlos – aber mit einem freundschaftlichen Grinsen. Hier ein herzlicher Handschlag von Skilehrerkollege Beni, der eben seine Pause beendet. Dort winkt ein Dreikäsehoch mit Patschhändchen aus der Froschperspektive. Ein älterer Gast brummt im Vorbeigehen «Schön, dich zu sehen, Kili». Es ist offensichtlich, hier fühlt sich Walthert wohl.

Der heimeligen Atmosphäre in der hölzernen Hütte wegen. Vor allem aber, weil sie ein Treffpunkt für grosse und kleine Menschen ist. Und ihretwegen unterrichtet Kilian Walthert seit 25 Jahren im Winter auf der Piste, für sie rückt er jeweils im Sommer in Basel als Feuerwehrmann aus.

Der 45-Jährige lässt sich an einem der Tische nieder, schält sich aus seiner roten Skilehrerjacke. Er blickt hinaus auf den Übungshang, wo eine Kinderschar hinter einer Instruktorin stemmbögelt. So wie er selbst einst hinter seiner Mutter und seinem Vater herfuhr – beide damals Instruktoren der Skischule Bern. «Das Skifahren war unser Familienpfeiler», sagt Walthert.

Damals fanden jeweils sonntags Kurse statt. Mit bis zu vier grossen Bussen ging es von Bern aus in ein Skigebiet, wo der Unterricht stattfand. Mittendrin der kleine Kili, fasziniert von «der Geschwindigkeit, den Kräften, die man in den Kurven fühlt». Das «Spiel mit der Physik» macht für ihn heute noch den Reiz des Sports auf der Piste aus. Aber auch die frische Luft – und eben die Geselligkeit. Für Walthert ist Skifahren weit mehr als eine Leidenschaft, «es ist eine Lebenseinstellung». Seine Berufung.

Die Skilehrerhütte in Geils bei Adelboden haben die Instruktoren selbst erstellt – von der Planung bis zum Bau.

Seinen Wunsch, Menschen das Skifahren beizubringen, hat sein Vater genährt: Ihm lag der Umgang mit seinen Gästen, aus denen oft Freunde wurden. Mit ihnen verbrachte die Familie manchmal gar ihre Ferien im Sommer. «Diese schönen zwischenmenschlichen Beziehungen haben mich geprägt», sagt Walthert. Auch er hat dank seines Berufes Freundschaften geknüpft und stattet ehemaligen Kunden – und heutigen Freunden – Besuche in ihrer Heimat ab, zum Beispiel in den Niederlanden.

Denn Walthert ist in der Skischule gerade bei der Kundschaft aus den Benelux-Ländern ein gefragter Mann. Dank einer «Marktlücke», die er schon früh erkannt hat: Er ist einer der wenigen Instruktoren, die Flämisch sprechen. Erste Brocken haben ihm die Kinder einer Familie beigebracht, die ihn regelmässig buchte. «Sie plauderten auf dem Lift immer munter darauf los», erinnert sich Walthert. Später besuchte er einen Niederländischkurs, und heute hört er täglich holländisches Radio – «um die Sprache im Ohr zu behalten».

Mit einem zwei Meter langen Slalomski «war man jemand»

Doch auch hinsichtlich der Fahrtechnik musste sich der Adelbodner weiterbilden. Schliesslich war man, als er seinen Beruf vor einem Vierteljahrhundert aufnahm, auf langen, geraden Latten unterwegs. «Während meiner Lehrzeit erhielt ich erstmals einen zwei Meter langen Slalomski, da war ich mächtig stolz. Mit so einem war man jemand.»

Heute undenkbar, denn längst haben taillierte Carvingski die sogenannten Pommes frites vom Markt verdrängt. «Die neuen Ski kommen den Fahrenden entgegen, sie sind drehfreudiger, damit erzielt man rascher Fortschritte.»

Mit dem neuen Material hat sich die Infrastruktur in den Destinationen verändert: Während die Schneesportler damals über Buckelpisten hinwegwedelten, ziehen sie heute scharfe Kurven auf regelrechten Schneeautobahnen.

«Heute schaue ich häufiger hinauf, um mich abzusichern»

Zwar freut sich der Skilehrer über die heute tiefere Einstiegshürde zu seinem Sport, doch die Entwicklung bereitet Walthert auch Sorgen: Viele fahren über ihren Verhältnissen und nehmen zu viel Risiko auf sich. Die «Kampfcarver», wie er diese Sportler nennt, rasen mit wenigen Kurven und viel Tempo die Piste runter und gefährden dadurch sich selbst, aber auch andere. «Heute schaue ich häufiger den Hang hinauf, um mich abzusichern, als ich es noch vor 20 Jahren tat», sagt er.

Verändert haben sich auch die Erwartungen der Gäste. Damals, bei den meist grossen Erwachsenengruppen, die Waltherts Vater betreute, gewichteten die Teilnehmenden das gesellschaftliche Erlebnis höher als ein individuelles Feilen an ihrer Fahrtechnik. Die Kundinnen und Kunden seines Sohnes hingegen wollen individueller unterwegs sein und ganz gezielt an ihren Fahrfähigkeiten arbeiten.

Kilian Walthert blickt hinaus auf die Terrasse der Skihütte, wo inzwischen jedes grosse, rote Sitzkissen an der Sonne besetzt ist. Immer öfter gehe es den Leuten auch darum, beim Skifahren abzuschalten. Und manchmal, da «wollen sie einfach mal reden».

Das Image des «Gigi von Arosa» half beim Vermarkten

Und so hat sich die Rolle des Skilehrers mitgewandelt. Trotzdem ist für Walthert klar, dass seine Gilde «den Ruf des Frauenhelden» wohl kaum wieder loswerde. Diesen hat man lange gepflegt, schliesslich liess sich mit dem Image des «Gigi von Arosa» der Skiunterricht besser vermarkten. In den Kurorten kam dem Instruktor damals die Rolle des Animators zu, der nicht selten im Après-Ski mit den Gästen über die Stränge schlug.

Walthert hat sie noch erlebt, die grossen Partys, die vor 20 Jahren abends im Ort stiegen. Heute komme dies allerdings selten vor, was wohl mit den Angeboten zu tun habe, die die Destinationen böten. «Hotels mit Wellnessoasen sprechen andere Gästegruppen an», ist der Skilehrer überzeugt.

Etwas hat die technischen und gesellschaftlichen Veränderungen aber überdauert – der Skilehrerschwung. Schliesslich müssen die angehenden Instruktoren ihn an der Prüfung zeigen, den adretten Parallelschwung. «Egal, wo man fährt, Skilehrer und Skilehrerinnen erkennt man daran sofort», sagt Walthert.

In seinen Augen blitzt kurz Humor auf – nicht jener der lauten Schenkelklopfer. Nein, das würde nicht zum Mann passen, der die Ruhe in Person zu sein scheint. Walthert ist einer, der schmunzelt.

Ihr Schwung verrät die Skilehrer, schliesslich müssen sie ihn an ihrer Prüfung zeigen.

Doch auch wenn sie alle denselben Schwung beherrschen, die Instruktoren sind von Skiort zu Skiort unterschiedlich, schliesslich müssen sie sich je Ausrichtung der Destination inmitten ganz unterschiedlicher Klientel wohlfühlen. Während beispielsweise in Gstaad oder in St. Moritz die Hautevolee Ferien macht, sind in Adelboden die Gäste «eher geerdet» und bescheiden – so wie Kilian Walthert.

Ein Nimmersatt ist er hingegen in Bezug auf seinen Beruf, den er bis über die Pension hinweg ausüben will. Doch auch er wird gegen Ende des Winters manchmal «saisonmüde». Dann freut er sich auf seine Sommerwelt, auf seine Einsätze als Feuerwehrmann bei der Berufsfeuerwehr Basel-Stadt.

Sie fordern ihn ganz anders. Fällt dann der erste Schnee, ist Walthert der Feuerwehrmann froh, wenn sich seine ersten Skischützlinge anmelden, wenn die Skihütte wieder zum Treffpunkt wird. Dort kann er die teilweise dramatischen Erlebnisse seiner Rettungseinsätze verarbeiten: als Menschenfreund unter Menschen.