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Experten ordnen einIst Odermatt wirklich so brillant – oder das Niveau schlicht zu tief?

Sein jüngster Streich: Marco Odermatt gewinnt den Riesenslalom in Palisades Tahoe trotz einer Zauberfahrt von Henrik Kristoffersen.

Sie schütteln den Kopf, seufzen, sind ratlos. Gegner von Marco Odermatt zu sein, ist vor allem eines: zermürbend. Sie können auf den Skipisten dieser Welt tun, was sie wollen, Odermatt setzt doch fast immer einen obendrauf.

Zuletzt erfahren hat das Henrik Kristoffersen. Im amerikanischen Palisades Tahoe gelang dem Norweger vielleicht der Riesenslalom seines Lebens. Und Odermatt? War doch wieder 12 Hundertstel schneller. In seiner Paradedisziplin scheint der 26-Jährige derzeit unschlagbar, 10-mal in Serie hat er schon gewonnen, nur Ingemar Stenmark steht mit 14 Triumphen am Stück noch vor ihm.

Den Betreuern gehen ob der Leistungen des Schweizers allmählich die Superlative aus. «Selbst mir fehlen die Worte», sagt Helmut Krug, Coach des Riesenslalomteams von Swiss-Ski und eigentlich redefreudig. «Ich bin seit 35 Jahren Trainer, aber eine solche Konstanz auf einem solchen Level, das habe ich noch gar nie erlebt. Ich habe nicht einmal geglaubt, dass es das je geben könnte.» Odermatt habe eine Gabe, sagt der Österreicher, «er hat keine Schwachstelle, keinen Punkt, an dem wir speziell arbeiten müssten. Skitechnik, die körperliche Leistungsfähigkeit, seine Intelligenz und Coolness im Rennen, das Gefühl fürs Material: Ein solch komplettes System habe ich noch nie gesehen.»

Von den letzten 15 Läufen, ob im Riesenslalom oder im Super-G, seien «10 schlicht perfekt gewesen. Ich finde keinen Fehler. Anderen gelingt solch ein Traumlauf vielleicht einmal im Jahr.» Und doch ist Krug gefordert, gerade weil alles so rund läuft beim Nidwaldner, der den dritten Triumph im Gesamtweltcup schon auf sicher hat und auf dem Weg ist, sich auch die Disziplinensiege in Riesenslalom, Super-G und Abfahrt zu holen. Es fällt ein Wort, das so gar nicht passen will zum Genie auf Ski: «schlampig». Bei all den Erfolgen dürfe man gewisse Dinge nicht übersehen, sagt Krug, «wir müssen immer auf der Hut sein. Wenn einmal ein Schwung nicht gut ist im Training, wenn er ein bisschen schlampig wird, müssen wir sofort eingreifen».

Die Teamkollegen müssen aufgepäppelt werden

Und noch etwas ist hinzugekommen zu Krugs Aufgaben: Er muss Odermatts Teamkollegen um Gino Caviezel, Justin Murisier und Loïc Meillard – der vom Slalomteam sporadisch dazustösst – ab und zu aufmuntern. «Prinzipiell ist es grossartig, einen Mann wie Marco in der Mannschaft zu haben, den Besten der Welt, der auch noch ein richtiger Teamplayer ist. Aber für die anderen ist es nicht immer einfach», sagt Krug. «In ein paar Abschnitten sind manche vielleicht gleich schnell oder gar schneller, aber dann fehlen doch oft über zwei Sekunden: Da fängt jeder an, nachzudenken.»

Die Dominanz strahlt also aus bis ins eigene Team. Und die Frage muss erlaubt sein: Liegt die Überlegenheit nur an der Brillanz von Odermatt? Oder schwächelt schlichtweg auch die Konkurrenz? Fakt ist: Seine Gegner müssen an ihr Limit gehen, um Odermatt überhaupt fordern zu können. Krug sagt gar: «Sie müssen weit darüber hinausgehen. Und das führt oft zu Fehlern. Doch die darf man sich gegen Marco nicht leisten.» Es ist ein Teufelskreis.

Gelingt einem doch einmal die vermeintlich perfekte Fahrt wie etwa Filip Zubcic in Alta Badia oder jüngst Kristoffersen, findet Odermatt doch die richtige Antwort. «Er ist ein mentales Monster. Er weiss genau, wie viel es braucht für den Sieg. Und wird er in Zukunft noch mehr gefordert, dann kann er noch schneller fahren, davon bin ich überzeugt», sagt Krug.

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Es sind nicht gerade aufbauende Worte in Richtung Konkurrenz. Der neutrale Skifan dürfte sich wohl noch länger gedulden müssen, bis er wieder Kämpfe erlebt wie einst zwischen Kristoffersen, Marcel Hirscher und Alexis Pinturault. Oder wie zu Zeiten von Hermann Maier, Stephan Eberharter, Bode Miller, Benjamin Raich und später Aksel Svindal.

Schwarz hätte ihn vielleicht länger gefordert

Wo nur sind Odermatts Gegner? Klar, Marco Schwarz hätte ihn ohne gerissenes Kreuzband wohl zumindest im Ansatz fordern können. Der 28-jährige Österreicher dürfte nach der gravierenden Verletzung aber etwas Zeit brauchen im nächsten Winter. Es stellt sich die Frage, ob er das hohe Niveau des ersten Saisonviertels je wieder erreichen wird.

Noch berechtigter sind diesbezüglich die Zweifel bei Aleksander Kilde, dem nach seinem fürchterlichen Sturz in Wengen ein langer Weg zurück bevorsteht. Loïc Meillard wiederum schöpft sein Potenzial derzeit nicht aus. Kristoffersen kämpft derweil oft mit Materialproblemen, und sein junger norwegischer Landsmann Alexander Steen Olsen müsste gewiss noch vielseitiger werden.

Von der Technik her so gut wie Odermatt, doch die Resultate fehlen noch: Loïc Meillard.

Verfolger hat Odermatt im Kampf um die grosse Kugel seit Wochen schon keine mehr. Und so kommt es, dass auf den Rängen 2 und 3 mit Manuel Feller und Cyprien Sarrazin zwei Athleten liegen, die für vieles infrage kommen, aber eigentlich nicht für Spitzenplätze in der Gesamtwertung, konzentrieren sie sich doch entweder nur auf die Technik- oder die Speed-Disziplinen. Auf den Positionen 5 und 6 folgen Meillard und Kristoffersen, jeweils zwei Podestplätze reichten dafür schon aus. Und Schwarz sowie Kilde liegen noch immer auf den Rängen 8 respektive 9, auch wenn ihre Saison längst zu Ende ist.

Ist das Niveau schlicht weniger hoch?

Immer wieder sind daher Stimmen zu hören, das Niveau an der Spitze sei weniger hoch als auch schon – Odermatt ausgenommen. ZDF-Experte Marco Büchel sagt, im Riesenslalom sei der Schweizer fast nicht zu schlagen, «weil er so unglaublich gut fährt, aber nicht nur deswegen». Die Gegner seien nicht immer auf der Höhe gewesen. Der Liechtensteiner nennt den Klassiker in Adelboden als Beispiel. «Wenn mit Kilde ein Abfahrer auf dem schwierigsten Riesenslalomhang der Welt Zweiter wird, ist das kein gutes Zeichen. Odermatt hat auch sonst oft klar gewonnen, obwohl er sogar taktiert und in zweiten Läufen den Vorsprung verwaltet hat.»

Die Dichte an der Spitze – vorab in Odermatts Disziplinen Riesenslalom, Super-G und Abfahrt – sei womöglich etwas geringer als noch vor einigen Jahren, sagt Marc Berthod, der bei SRF kommentiert, wobei Zeiten schwierig miteinander zu vergleichen seien. Als er zwischen 2004 und 2015 im Weltcup fuhr, bildeten die Österreicher eine Übermannschaft, «jetzt schwächeln sie in der Breite. Es wäre sicher attraktiver für den Sport, wenn noch zwei, drei weitere Athleten vorne reinfahren könnten».

Österreichs Speed-Trainer Sepp Brunner wiederum sagt, das Feld sei nicht so stark wie noch vor ein paar Jahren, «da fehlt etwas, es gibt ein kleines Loch – und mit Kilde und Schwarz fehlen noch zwei der ganz Grossen. Wir müssen hoffen, dass es an der Spitze nicht langweilig wird. Das wäre nicht gut für den Sport». Die Österreicher seien nicht auf dem Level, auf dem sie Odermatt einen Winter lang herausfordern könnten, sagt Brunner. «Es ist krass, wie er die Belastungssteuerung im Griff hat. Und auch beim Material ist extrem viel gegangen – Stöckli hat eine wahnsinnige Entwicklung gemacht.»

Von der These, wonach das Niveau gesunken sein soll, hält Walter Reusser indes wenig. Der CEO Sport bei Swiss-Ski bezeichnet Odermatt als Athleten, den es, wenn überhaupt, alle paar Jahrzehnte einmal gebe, «da sehen andere manchmal halt wie Statisten aus». Reusser ist überzeugt, dass die anderen Athleten durchaus ein vergleichbares Level aufweisen würden wie jene in der jüngeren Vergangenheit. Gewisse Fahrer aber würden mittlerweile besonders viel Druck spüren. «Sie wissen, dass nur mit bedingungsloser Attacke etwas möglich ist. Also suchen sie das Limit oder gehen gar darüber hinaus, nehmen den Kopf noch mehr runter.» Die Lauberhornabfahrt mit den vielen Stürzen sei womöglich eine Folge davon gewesen.

Marco Odermatt jedenfalls scheint allen entrückt. Und es gibt keine Anzeichen, dass sich daran so schnell etwas ändert.