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Geschlagener Novak Djokovic «Ich war schockiert über mein Niveau»

Bitter enttäuscht: Novak Djokovic fühlte sich in Melbourne nicht wie er selber auf dem Court.

Als Novak Djokovic in Wimbledon 2023 in den Halbfinal gegen Jannik Sinner eingezogen war, den er dann locker gewinnen sollte, sagte er im Interview auf dem Centre Court: «Ich liebe es, dass alle mich schlagen wollen. Ich weiss, sie wollen meinen Skalp. Aber noch ist es nicht so weit.» Der 36-Jährige lächelte und kratzte sich leicht verlegen am Kopf.

Während Jahren hatte Djokovic die Angriffe der jungen Wilden abgewehrt. Sie hielten ihn jung und motivierten ihn, weiter alles in seinem Leben diesem Sport unterzuordnen. Doch allmählich zeichnet sich eine Wachablösung ab. In einem epischen Wimbledon-Final musste er sich im vergangenen Juli Carlos Alcaraz geschlagen geben. Nun wurde er im Halbfinal des Australian Open von Sinner beim 1:6, 2:6, 7:6 (8:6), 3:6 phasenweise regelrecht vorgeführt.

Kein einziger Breakball

Erstmals überhaupt kam Djokovic, ohne Zweifel der beste Returnspieler in diesem Sport, in einem Grand-Slam-Match zu keinem einzigen Breakball. Sinner servierte gut, aber es war nicht so, dass er Ass um Ass schlug (es waren neun). An diesem sonnigen Nachmittag in Melbourne passierte schlicht das, was man bei Djokovic inzwischen fast für unmöglich gehalten hatte: Er zog einen schlechten Tag ein. Einen richtig schlechten.

Stolzer Sieger: Jannik Sinner nach seinem Coup gegen Novak Djokovic.

«Ich war schockiert über mein Niveau», sagte er in der Medienkonferenz. «In den ersten zwei Sätzen habe ich nicht viel richtig gemacht. Ich denke, das war einer meiner schlechtesten Grand-Slam-Matchs. Es ist kein angenehmes Gefühl, so zu spielen.» Gleichzeitig beglückwünschte er Sinner zu dessen Auftritt. «Er zeigte eine grossartige Partie, er spielt schon das ganze Turnier exzellent. Er hat mich heute komplett an die Wand gespielt.»

Djokovic hatte schon auf dem Weg in den Halbfinal nicht immer überzeugt, sich dann aber jeweils in den entscheidenden Phasen gesteigert. Und auch diesmal sah es so aus, als könne er ein Comeback schaffen. Er wehrte im Tiebreak des dritten Satzes einen Matchball ab und erzwang einen vierten Durchgang. Doch da schenkte er Sinner das entscheidende Break zum 3:1 mit einer Serie von Fehlern, nachdem er bereits 40:0 geführt hatte.

Das war so gar nicht Djokovic-like, der an Grand-Slam-Turnieren schon achtmal nach einem 0:2-Satzrückstand gewonnen hatte, unter anderem gegen Sinner im Wimbledon-Viertelfinal 2022. Doch der Südtiroler schaffte es, aufkommende Zweifel im Keime zu ersticken, zog sein druckvolles Grundlinienspiel auch im vierten Satz durch.

Seinen zweiten Matchball verwertete der Herausforderer dann nach 3 Stunden und 22 Minuten mit einem Vorhandwinner ins Eck. Wie gewohnt gratulierte ihm Djokovic fair, ehe er sich beim Herausgehen mit erhobenen Händen und einem Lächeln vom Publikum verabschiedete.

Er verabschiedete sich mit einem Lächeln: Novak Djokovic hat in Melbourne schon viel Schönes erlebt.

Es wirkte, als sei ihm in diesem Moment durch den Kopf gegangen, wie viele schöne Momente er im Melbourne Park schon erlebt hatte. Zuletzt hatte er hier 33-mal in Serie und vier Titel in Folge gewonnen. Nur die australischen Behörden, die ihn 2022 als Ungeimpften vor dem Turnier des Landes verwiesen, hatten ihn aufhalten können.

Gegen Sinner verlor Djokovic an seinem Lieblingsturnier erstmals nach 2195 Tagen wieder einen Match. Exakt so lange war der Serbe übrigens auch in Wimbledon ungeschlagen gewesen, ehe ihn 2023 Alcaraz entthronte. In Melbourne datierte seine letzte Niederlage von 2018, als er im Achtelfinal am Südkoreaner Hyeon Chung gescheitert war. Damals wurde er geplagt von chronischen Schmerzen am rechten Ellbogen. Kurz darauf liess er sich in der Basler Rennbahnklinik operieren, ehe er das Tennis nach einer eineinhalbjährigen Durststrecke wieder zu dominieren begann.

Djokovic: «Ich fühlte mich nicht wie ich selbst»

In Melbourne war ihm sein Alter nun erstmals anzusehen. «Ich war während des ganzen Turniers weit von meiner Bestform entfernt», sagte er. «Ich fühlte mich nicht wie ich selbst auf diesem Court.» Aber dass er so schlecht spielen würde wie in den ersten beiden Sätzen gegen Sinner, habe ihn doch überrascht.

Für Sinner ist es der dritte Sieg in den letzten vier Duellen mit Djokovic. Er hatte ihn schon in den Gruppenspielen des ATP-Finals in Turin und im Davis-Cup-Final geschlagen. Von seinem starken Saisonabschluss habe er viel Selbstvertrauen ins neue Jahr mitgenommen, sagte Sinner. Und er erinnerte sich in der Stunde seines bisher grössten Triumphs an seine ersten Begegnungen mit Djokovic, als er mit 16 oder 17 erstmals in Monaco mit ihm trainierte. Damals habe ihm der Serbe gesagt, er müsse die Bälle noch besser verteilen.

Der Topcoach an Sinners Seite

«Er hat schon immer aus der Vorhand- und der Rückhandseite sehr hart auf den Ball geschlagen», sagte Djokovic nun. «Er liebt es, aggressiv zu spielen. Jetzt hat er seinen Aufschlag verbessert, er bewegt sich besser und ist mental stärker geworden. Er wirkte schon immer sehr ruhig. Aber er tat sich schwer, die grossen Matchs zu gewinnen. Jetzt kommt bei ihm alles zusammen. Und natürlich hilft es, dass er in Darren Cahill einen sehr erfahrenen Mann an seiner Seite hat.» Der Australier, der seit Juli 2022 zu Sinners Team gehört, coachte schon Andre Agassi, Lleyton Hewitt und Simona Halep.

Djokovic räumte Sinner gute Chancen ein, nun den Titel zu gewinnen. Egal, wer sein Gegner sein werde. Dieser stand dann erst nach Mitternacht in Melbourne fest. Daniil Medwedew (ATP 2) schaffte gegen Alexander Zverev (6), was er zuvor verpasst hatte: Der Russe siegte nach einem 0:2-Satzrückstand 5:7, 3:6, 7:4 (7:4), 7:6 (7:5), 6:3. Gegen Sinner führt Medwedew zwar in den Direktduellen 6:3, er hat aber die letzten drei Begegnungen verloren. Und er ist der Marathonmann des diesjährigen Australian Open: Inzwischen hat er über 20 Stunden auf dem Court verbracht.

Ob Medwedew die eineinhalb Tage Erholungszeit reichen, um am Sonntag wieder frisch genug zu sein, wird sich zeigen. Fest steht: Es ist der erste Australian-Open-Final seit 2005, in dem weder Djokovic, Roger Federer noch Rafael Nadal dabei ist. Damals hatte Marat Safin den Australier Lleyton Hewitt geschlagen.

Lasst hören! Daniil Medwedew siegte gegen Alexander Zverev nach einem 0:2-Satzrückstand.

Und wie geht es mit Djokovic weiter? War das nun schon die Wachablösung? «Mal schauen», sagte er schmunzelnd. «Ich habe immer noch grosse Ambitionen für die nächsten Grand-Slam-Turniere oder für Olympia. Es ist erst der Start in die Saison. Aber es war jeweils sehr befriedigend, das Jahr mit einem grossen Titel zu beginnen. Ich hatte hier ja noch nie im Halbfinal oder Final verloren. Diesmal ist es anders. Ich blieb unter meinen Standards. Aber ich würde nicht sagen, dass dies der Anfang vom Ende ist.»

Auf die Finalniederlage in Wimbledon 2023 antwortete Djokovic, indem er die nächsten 19 Matchs und die Titel in Cincinnati, New York, Paris-Bercy und am ATP-Final in Turin gewann. Man darf gespannt sein, wie er diesmal reagieren wird.