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Multitalent Simon EhammerEr freute sich auf die Operation – aber wie weit bringt ihn die neue Schulter?

Geblieben ist auf der Schulter eine feine Narbe: Simon Ehammer beim Kugelstossen in Glasgow.  

Der Chirurg hat die Bizepssehne im rechten Schultergelenk abgelöst, und er hat sie ausserhalb des Gelenks wieder fixiert. Das war Ende September letzten Jahres. Am Montag, nur fünf Monate später, steht Simon Ehammer vor einer Langhantel, auf die er 150 Kilogramm gepackt hat, und sagt: «Für mich ist klar: In Glasgow will ich um Medaillen kämpfen.»

Dass der 24-jährige Appenzeller seine Ziele offensiv und fast forsch kommuniziert, ist nicht neu. So tickt er, so denkt er, so geht er sie an. Auch jetzt, zu Beginn des Olympiajahres, da ihm eigentlich «zwei Monate Training fehlen», wie René Wyler sagt, sein Haupttrainer am Leistungszentrum Appenzellerland Sport in Teufen. Ehammers Siebenkampf in Glasgow hat am Samstag begonnen, er geht am Sonntag weiter, und die Chancen, dass er seine Erwartungen an der Hallen-WM erfüllt, stehen gut. Einen Dämpfer musste er allerdings am Abend im Hochsprung hinnehmen, als der Wettkampf für ihn schon bei 1,95 m zu Ende war. Mit 3558 Punkten ist er Zweiter und es bleiben heute der Hürdensprint, der Stabhochsprung, und das, was bei ihm keine Euphorie auslöst: die 1000 Meter.

Weiter eine zweigleisige Karriere

Es war ein harter Entscheid gewesen im vergangenen Sommer, den Ehammer zusammen mit seinem medizinischen Umfeld hatte fällen müssen. Zumal nach einem so erfolgreichen Jahr, wie es 2022 gewesen war: Silber im Siebenkampf an der Hallen-WM, Bronze an der WM in Eugene im Weitsprung – und das als erster Mehrkämpfer in einer Spezialdisziplin überhaupt. Und dann mit diesem Schwung an der EM in München im Zehnkampf nochmals eine Silbermedaille.

Aber es war ein Entscheid für die Zukunft gewesen. Für eine wie bis dahin aussergewöhnliche, zweigleisige Karriere. Im Juli gab Ehammer bekannt, dass er auf den WM-Zehnkampf verzichten und sich auf den Weitsprung konzentrieren würde. Intensive Tests und Untersuchungen hatten gezeigt, dass es sich bei seinen chronisch gewordenen Beschwerden in der rechten Schulter um eine hartnäckige Entzündung handelt. Der Oberarmknochen sowie die Muskeln und Sehnen sind in diesem Bereich äusserst beweglich. Doch liegt der Knochen nicht sauber in der Gelenkpfanne, kann er sich an der Sehne reiben und diese so reizen.

Das ist bei Ehammer passiert, und die Entzündung behinderte ihn speziell beim Speerwerfen, aber auch im Krafttraining. Wyler sagt: «Mit intensiver Physiotherapie hatten wir den Schmerz im Bizeps lange einigermassen gut im Griff, im Frühsommer beim Mehrkampf in Basel brach er aber wieder auf.»

Konservativ behandelt – keine Besserung

Auf Medikamente verzichtete der Athlet, er wollte seine Verletzung konservativ behandeln. Und mit dem Entscheid für den Weitsprung glaubte er, die nötige Zeit zur Genesung zu gewinnen – auch hinsichtlich der Olympischen Spiele. Bis aufs Speerwerfen trainierte Ehammer weiterhin alle Disziplinen – und litt insofern, als dass der Mehrkampf «halt eine Herzensangelegenheit» ist. Und er trotz seiner Bemühungen keine Besserung spürte.

Heute sagt Ehammer: «Der Entschluss, die Schulter dann operieren zu lassen, ist mir relativ leichtgefallen, sie hat mich so lange eingeschränkt. Und sie noch länger zu therapieren, ohne Fortschritte zu machen, das wollte ich nicht.»

Er tat diesen schwierigen Schritt Ende September mit dem Mumm der vorherigen Wochen: Beim Saisonfinale in Eugene war es ihm gelungen, eine ziemlich enttäuschende Saison noch zu retten. Im Mai schon hatte er in Götzis nach drei Nullern im Weitsprung den Zehnkampf abgebrochen, im August dann schied er an der WM in Budapest unter unglücklichen Umständen im Weitsprung aus.

Doch dann, im letzten Wettkampf, kürte er sich mit dem Coup im Weitsprung (8,22 m) zum ersten Schweizer Sieger in der Diamond League. Es war eine eindrückliche Reaktion auf das Out an der WM. Ehammer hatte seine letzte Chance in diesem Sommer genutzt und seine Weltklasse bewiesen.

Sein erster grosser Sieg: Simon Ehammer ist der erste Schweizer Diamond-League-Gewinner.

Die Operation dauerte 35 Minuten, die Rückkehr in einen einigermassen normalen Trainingsbetrieb jedoch zwei Monate. «Der Zeitpunkt des Eingriffs war für mich gut, ich freute mich sogar darauf, weil ich wusste, dass es mir nachher besser geht. Und meine Wettkampfziele lagen ja in naher Ferne», sagt Ehammer. So hübsch hat dies kaum je ein Athlet ausgedrückt.

Den Eingriff vorgenommen hatte der orthopädische Chirurg und Sportmediziner Pierre Hofer. «Für mich war klar, dass er das macht – wenn er will. Ich kenne ihn seit eh und je.» Dass sich Ehammer so schnell erholte, «dazu hat Simons Einstellung beigetragen», sagt sein Trainer. Seine optimistische Art, in der er keine Zweifel zulasse, sei enorm hilfreich.

Anspruchsvolle Wochen folgten dennoch für alle.

«Wegen der Entzündungsgefahr der Wunde durfte Simon nicht schwitzen. Er durfte nicht springen, nicht sprinten und keine Schläge einfangen», sagt Wyler. Ehammer habe intensive Physiotherapie erhalten, durfte Velo fahren, auf der Beinpresse mit wenig Gewicht und vielen Wiederholungen arbeiten – «ohne Anspannung im Oberkörper».

Und deshalb wurde der Leichtathlet auch ziemlich schnell zum Wanderer. «Schon bald schickte ich ihn auf den Gäbris», sagt Wyler und lacht, es ist der gut 1200 m hohe Hausberg von Gais, wo der Athlet zu Hause ist. Und dieser ist stolz, dass er zwei Wochen nach der Operation bereits auf dem Säntis stand. «Diese Abwechslung hat mir gutgetan, der Bruch zum Alltag hat mir den Kopf gelüftet», sagt Ehammer.

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Am Sonntagmittag wird er in Glasgow zur sechsten Disziplin, dem Stabhochspringen, antreten. Er sagt: «Das Vertrauen in meinen Körper war nach der Operation nie weg. Als ich erstmals wieder mit dem Stab anlief, war da nur ein wenig Unsicherheit. Wie wird es sein, wenn ich da mein Gewicht voll reinhänge?»

Athlet und Trainer waren sich bewusst, dass bei den ersten Hallenwettkämpfen im Januar acht Wochen Aufbau und Training weitestgehend fehlen würden. «Aber wir durften trotzdem nichts abkürzen und auch nichts erzwingen», sagt Wyler. Im Fokus stand, dass Ehammer seine Explosivität behält, die ihn im Weitsprung und im Hürdensprint so stark macht, dass er möglichst rasch Stabilität in der operierten Schulter erhält «und dass natürlich das Gesamtpaket Ehammer verbessert ist», wie Wyler erklärt.

Weder Ball noch Speer geworfen

Dass sein Athlet an den nationalen Meisterschaften vor zwei Wochen in St. Gallen die WM-Limite im Hürdensprint unterbot, hat ihn sehr erstaunt. «Das war sensationell, es ist viel Power da, jetzt muss er sie nur noch kontrolliert einsetzen.» Doch der Trainer sagt auch: «Die Nagelprobe folgt erst.»

Die Nagelprobe ist das Speerwerfen, das im Siebenkampf in der Halle nicht zum Programm gehört.

Ehammer hat seit der Operation noch keinen Ball geworfen, schon gar nicht einen Speer. Die Rotationsbewegung, die vor dem Eingriff nur unter Schmerzen möglich war, sollte jetzt kein Problem mehr sein. In der Physiotherapie baut der Athlet die Kraft für die Belastung auf, und nach der Hallen-WM wird er sich erst einmal im Leistungsdiagnostik- und Trainingszentrum seines Hauptsponsors Red Bull in Thalgau (AUT) testen lassen. Wie sind seine Werte jetzt, da er in Hochform ist? Und spezifisch: Wie weit ist seine Schulter?

Ehammer ist sich bewusst, dass er sich erst wieder an die Wurftrainings gewöhnen muss. Es wird der letzte Schritt zurück zum gesunden Mehrkämpfer sein.