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Sperre für schlechten SchiedsrichterLazio Rom und die Wut der Bestohlenen

Es kommt nicht so oft vor, dass sich Lazio Rom ausserhalb von Latium, der Region rund um die Stadt herum, viele Sympathien verdient. Das liegt nicht unwesentlich daran, dass sich einige ihrer sehr rechten Fans zuweilen unsäglich aufführen und Chöre singen, wie sie die Gesetze der antifaschistischen Republik und der gesunde Menschenverstand eigentlich verbieten. Lazios Image ist nicht das allerbeste. Nun aber, kurz vor dem Rückspiel gegen Bayern München in der Champions League, fliegt dem Club ein bisschen Sympathie von jenseits seines unmittelbaren Einzugsgebietes zu, völlig verdient. Und, wer weiss, vielleicht hat das gerade weiterreichende Konsequenzen.

Lazio wurde am Wochenende im verlorenen Heimspiel gegen die AC Milan nämlich dreist bestohlen – vom Schiedsrichter mit dem schönen Namen Marco Di Bello, 42 Jahre alt, aus dem apulischen Brindisi. Di Bello, ein erfahrener Mann, auch europäisch, hat Dinge übersehen, die sonst niemand übersah, weder im Fernsehen noch im Stadion. Er mochte sich auch von den Leuten in der Regiezentrale des Videobeweises nicht umstimmen lassen.

In der sinnbildlichsten Szene der Begegnung sieht man Di Bello mit hochgereckten Armen, ein bisschen wie ein Lotse am Flughafen: in der rechten Hand die Gelbe Karte, in der linken die Rote. Da lief schon der Abspann. Die Römer beendeten das Spiel nach drei Roten Karten zu acht, wobei der zweite und der dritte Platzverweis in die Nachspielzeit fielen.

Ein Mann zeigt Rot: Schiedsrichter Marco Di Bello bei einem seiner drei Platzverweise gegen Lazio.

Normalerweise lässt sich über Fehler von Referees ja wunderbar streiten. Da liegt immer eine Grauzone zwischen zwei Wahrheiten, eine Interpretationsmarge, trotz technologischer Hilfe. Diesmal nicht, diesmal sind sich alle einig: Di Bello hat die Kontrolle über das Geschehen in fast grotesker Weise verloren. Selbst die Associazione Italiana Arbitri, der italienische Schiedsrichterverband also, hielt die Darbietung ihres Angestellten für sanktionswürdig und sperrte ihn nun für einen Monat – für eine «Denkpause», wie es heisst.

Manche italienische Zeitungen spielten mit dem Namen des Schiedsrichters in ihren Schlagzeilen. «Niente Di Bello», titelte eine, «nichts Schönes.» «Ein Horror», schreibt die römische Zeitung «Il Messaggero», etwas prosaischer.

Der Präsident prüft Strafanzeige

Aber das ist wohl nur die halbe Geschichte. Claudio Lotito, Besitzer und Präsident von Lazio, überlegt sich gerade zusammen mit seinen Anwälten, wie er gegen die erfahrene «Ungerechtigkeit» vorgehen will. Womöglich mit einer Strafanzeige gegen Unbekannt, womöglich nicht bei der Sportjustiz, und womöglich europäisch. Was er damit genau meint, ist nicht so klar. Der Impetus aber ist klar. «Lazio wurde Gewalt angetan», sagt Lotito. Er sei sich schon bewusst, dass es in diesem Sport auch «unwägbare Ereignisse» gebe. «Doch alles hat seine Grenzen.»

Das System sei nicht vertrauenswürdig, da stimme etwas nicht. Ein Reporter fragte ihn, ob er denn denke, dass dieses System Lazio bestrafe, um ihn, Lotito, zu bestrafen. «Ich möchte keine Verschwörungstheorien bedienen», antwortete er, aber er werde sich schon an die passenden Instanzen richten. Also doch!

Der Reinigungsunternehmer Lotito, muss man dazu wissen, ist auch Senator der Republik, Mitglied der Partei Forza Italia von Silvio Berlusconi selig. Und obendrein ist er Präsident der Lega Serie A, jener Organisation von Vereinschefs also, die Italiens höchste Fussballmeisterschaft ausrichtet. Nicht alle Kollegen stehen auf seiner Seite, aber die meisten schon.

Seit einigen Jahren leistet sich Lotito eine Fehde mit dem italienischen Fussballverband, der FIGC, und mit dessen Präsidenten, Gabriele Gravina. Es geht um Reformen, um Macht, um Intrigen. Am liebsten wäre es Lotito, wenn Gravina sein Amt verlöre. Und umgekehrt.

Schon die zweite Sperre für den Ref

Wenn Lotito vom System spricht, das nicht mehr vertrauenswürdig sei, meint er Gravinas FIGC und den Schiedsrichterverband AIA. Seine Klage über die Schiedsrichter ist allerdings weit verbreitet in Italien: Die Gilde steckt in einem Generationenwechsel, kein Wochenende ohne Grossärgernisse. Di Bello, einer von der alten Generation, war schon zu Beginn der Saison einmal für 36 Tage gesperrt worden, weil er sich geweigert hatte, Juventus Turin für ein Foul im eigenen Strafraum zu bestrafen, das nun wirklich nicht Grauzone war. Nun gilt er als Wiederholungstäter.

Und so gewann Milan ein Spiel, das Lazio über weite Strecken dominiert hatte, nach einem glücklichen Tor des eingewechselten Schweizer Nationalspielers Noah Okafor in der 88. Minute. Es war schon Lazios dritte Niederlage in den letzten vier Meisterschaftsspielen. Aber eben, vielleicht bewirken die grossen Wirren ein Wunder der Reaktion.

Maurizio Sarri, Lazios Trainer, sagte zu seinen Spielern: «Ich bin stolz auf euch – mit diesem grossen Herzen, mit diesem Biss hätten wir gewonnen, wenn wir bis zuletzt zu elft gegen elf gespielt hätten.» Da sei er sich ganz sicher. «Und jetzt wandeln wir diese Wut um in einen Energieschub gegen Bayern München.» Geht das? Ist das ordentliche Chemie? Zumindest die Wut ist gross genug für eine Reaktion. Und sehr viel braucht es wohl gar nicht, die Römer haben das Hinspiel 1:0 gewonnen.