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Rekordhalterin im MarathonNun probiert sie erstmals, was für Hobbyläufer normal ist

Immer scheinbar schwerelos unterwegs: Die Marathon-Rekordhalterin Fabienne Schlumpf (33).

Mit blutigen Zehenspitzen und einem breiten Lachen stand sie damals im Ziel nahe dem Flughafen Bern-Belp. Es war vor zweieinhalb Jahren Fabienne Schlumpfs Start in ihre Marathonkarriere, bei Kälte und Wind lief sie scheinbar federleicht zum Schweizer Rekord und zur Olympialimite für Tokio. Ihr Trainer sagte danach, dies sei die Bestätigung gewesen, dass das Training (für so lange Läufe) funktioniere.

Das tat es auch in der Folge, denn ähnlich spektakulär lief Schlumpf kürzlich am Berlin Marathon. In 2:25:27 Stunden war sie nochmals fast eine Minute schneller, die Olympialimite für Paris damit klar unterboten.

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Und noch immer sieht es aus, als ob die 33-Jährige ganz ohne Anstrengung unterwegs wäre. Das hat vielleicht mit ihrer Grösse von über 1,80 m zu tun, ihre Schritte sind länger als jene der meisten Konkurrentinnen, vielleicht mit ihrem aufrechten, stabilen Oberkörper, dem sie keine Bewegung zu viel abringt. Aber: Es hat vor allem auch damit zu tun, dass Schlumpfs oberste Devise bisher die Kontrolle und die Dosierung war.

Und damit ist nun Schluss.

Die Zürcher Oberländerin startet am Sonntag am Marathon in Valencia, dem letzten grossen in diesem Jahr, dem wegen seiner attraktiven, flachen Strecke erneut sehr gut besetzten Rennen. Kaum einmal hat sich Schlumpf auf einen Lauf so gefreut wie jetzt. Sie sagt: «Berlin hat mir die Zuversicht gegeben, dass noch einiges mehr drinliegt. Ich bin noch nicht auf allen vieren ins Ziel gekrochen. Das heisst, es wäre noch etwas vorhanden gewesen.» Sie lacht, obwohl sie ein brutales Bild beschreibt – und meint es doch ziemlich genau so, wie sie es sagt. «Es wäre für mich okay, wenn es mir in Valencia am Schluss schlechter ginge, ich würde mich gerne ein wenig quälen.»

Bis jetzt nur dosiert und kontrolliert gelaufen

So weit ist es bis anhin nicht gekommen. Bei ihren fünf Starts über die Marathondistanz war das Ziel immer, so zu finishen, «dass ich eine Limite unterbiete oder dann an internationalen Titelkämpfen einen möglichst guten Rang erreiche», sagt sie. Deshalb habe es nichts anderes gegeben als Kontrolle und Dosierung. «Jetzt bin ich in der coolen Ausgangslage, dass ich für einmal nichts muss. Ich habe mir die Möglichkeit erarbeitet, etwas riskieren zu dürfen. Verlieren kann ich nichts, nur gewinnen.» Da sei kein Druck, keine Anspannung, nur die Gewissheit, «dass ich all-in gehen kann».

Hat Schlumpf in Valencia das Glück, Unterschlupf in einer für sie idealen Gruppe zu finden, «mitzurollen», wie sie sagt, kann es für sie zum Rennen Richtung Optimum werden. Und dieses sieht Michael Rüegg, ihr Trainer und Lebenspartner, weit unter dem Landesrekord, wie er einst analysierte. Die Basis dazu bildet ihre Bestzeit im Halbmarathon, 1:08:27, die Schlumpf im Frühling 2021 gelaufen ist. Rechne man die hoch, läge im Marathon im Optimalfall eine Zeit um die 2:21 Stunden drin, sagte Rüegg. Es wäre eine Leistung, die Schlumpf in Europa weit nach vorne tragen würde.

An eine solch tiefe Zeit denkt die Läuferin nicht. Sie sagt, im Hinterkopf habe sie schon, dass sie ein wenig schneller sein wolle, «ich bin aber nicht in anderer oder besserer Form, sondern laufe nur mit anderer Taktik». Hinzu kommt eine ganz andere Premiere, die sich die meisten Hobbyläuferinnen und Hobbyläufer wohl kaum vorstellen können: Schlumpf ist bis anhin nie mit Uhr gelaufen und wird dies nun zum ersten Mal tun. Die Profiläuferin, die Rekordhalterin, die mit dem ausgeprägten Tempogefühl – nie lenkte der Blick hinunter aufs Handgelenk ab, nie beunruhigte die Feststellung, langsamer geworden zu sein. «Ich bin erstmals bei einem Städtemarathon ohne Pacemaker unterwegs, deshalb nehme ich die Uhr wenigstens einmal mit.» Denn die grösste Gefahr sei, zu schnell zu starten.

Mehr in die Erholung investiert

Wenn sie von «riskieren» spricht, hat sie einen ersten Teil schon hinter sich. Nur zehn Wochen nach Berlin erneut über 42 Kilometer zu starten, ist ein Wagnis. Schlumpf selber bezeichnet das Training als «Gratwanderung», nach Berlin hat sie sich zwei Wochen Pause gegönnt «und bewusst mehr in die Erholung investiert. Sonst lasse ich mich nach einem solchen Effort gern ein wenig gehen», sagt sie. Sie habe viel geschlafen, gut und richtig gegessen, das seien Faktoren, die entscheidend sein können. 

Während der Winter über die Schweiz gekommen ist, scheinen die Bedingungen am Sonntag in Spanien perfekt zu werden. Und das Selbstvertrauen ist riesig. Schlumpf sagt: «Ich traue mir zu, in Valencia mein neues Niveau zu finden.»