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Reisen: PortugalLissabon bei Nacht

So geht Feierabend in Lissabon: Entspannen am Aussichtspunkt Miradouro da Graca.

Nicht nur die Schönheit der Stadt, die frischen Puddingtörtchen und die Nähe zum Meer machen Lissabon zur begehrten Destination. In den letzten Jahren hat die Hauptstadt Portugals auch wegen ihres Nachtlebens an Beliebtheit gewonnen – schliesslich gibt es hier im Partyviertel Bairro Alto die grösste Bardichte pro Quadratmeter in Europa.

In der Ewa Dachbar im Bairro Alto gelingt der Sprung in die Nacht bestimmt auch wunderbar.

Und auch auf der legendären Feiermeile Pink Street vergnügen sich jeden Abend Hunderte Touristen und Studierende aus ganz Europa. Aber erfahrungsgemäss ist es dort viel schöner, wo die Einheimischen ausgehen. Die trifft man auch in Lissabon eher ein paar Blöcke abseits. Wir haben einen Blick in unbekanntere Ecken der Stadt geworfen – und wurden herzlich aufgenommen.

Gemütlich starten

Noch ein wenig weiter den Hügel rauf. Wer in Lissabon zu Fuss unterwegs ist, gerät schnell ausser Atem. Da käme eine Erfrischung auf dem Weg doch sehr gelegen. Für das erste Glas des Abends geht es in das Nachbarviertel des Bairro Alto, São Bento, einen der ältesten Stadtteile – in eine der alten Bars der Stadt. Seit 1978 steht hier «Foxtrot» über der Tür. Ein Türsteher mustert einen kurz, dann gehts rein.

Man ahnt es, wenn man sich die Fassade ansieht: Eine Stippvisite im Foxtrot ist auch eine kleine Zeitreise.

Sofort ist fröhliches Stimmengewirr zu hören – hauptsächlich auf Portugiesisch, und das ist im internationalen Lissabon nicht mehr selbstverständlich. Schummriges Licht fällt auf die Holztische, Fenster gibt es nicht. Dafür jede Menge Deko: An der Wand hängen eine antike Nähmaschine und Geldscheine aus den Achtzigern, in einer Ecke steht ein altes Grammofon. Man hat das Gefühl, ein paar Jahrzehnte zurückgereist zu sein.

Joaquim Gonçalves hat diese Zeiten selbst erlebt – er arbeitet seit 36 Jahren hier, erst als Barkeeper, dann als Manager. Inzwischen ist der 73-Jährige Eigentümer der Bar. «Foxtrot gibt es schon so lange, weil hier ein paar der besten Barkeeper der Stadt arbeiten», erzählt er stolz. Hinter der Holztheke mixen sie Klassiker und Eigenkreationen. Wer schon Hunger hat, bestellt einen Snack dazu – zum Beispiel Pregos, Rindfleischpastete im Sandwich.

Das Lokal ist mit allerlei Firlefanz dekoriert.

Im Nachbarraum ist noch etwas frei auf einem roten Sofa am Cheminée. Das Feuer prasselt, vom Billardtisch sind Queue-Stösse zu hören. Auf einer Leinwand werden manchmal Fussballspiele übertragen: von der Nationalmannschaft, vom Stadtclub SL Benfica – oder vom saudischen al-Nassr FC: Dort spielt inzwischen Superstar Ronaldo.

Die Bar hat viele Stammgäste, die meisten aus der Nachbarschaft. Da São Bento längst touristisch erschlossen ist, finden auch immer wieder Touristen den Weg hierher – und sind willkommen. Sie bestellten zwar viel und seien bereit, mehr für Cocktails zu zahlen als Einheimische, erzählt Joaquim Gonçalves, sie verschwänden aber eben auch wieder. «Worauf wir uns wirklich verlassen können, ist unsere Stammkundschaft. Die ist immer da.» Es gebe Familien, in denen die Grosseltern, die Kinder und die Enkel regelmässig herkommen. Und damit bleibt auch das portugiesische Flair der Bar erhalten.

Essen wie die Locals

Langsam wird es Zeit für den Jantar: den Znacht. Dafür gehts zu Fuss bergab und dann mit dem gelben Tram den nächsten Hügel hoch, in den Stadtteil Graça. Hier stehen viele bunte Häuser, wie man sie von Postkarten kennt. Eines davon hat eine blau-gelbe Fassade mit grüner Tür – der Eingang zum Restaurant Damas. Drinnen sieht es aus wie in einem Industriegebäude, das gründlich umgekrempelt wurde.

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An die Wände sind blaue Giraffen und Dschungelpflanzen gemalt, die Decke ist im Schachbrettmuster angelegt, die Bartheke pink. Dahinter sind nicht nur die Kellner im Einsatz, sondern auch die Köche. Sie bereiten das Essen im selben Raum zu, in dem die Gäste sitzen. Von den Kellnern sind viele queer; offene Queerness ist sonst auf Lissabons Strassen noch immer ein eher ungewöhnlicher Anblick.

Giuliane Maciel, 28, ist Stammkundin. Sie sieht im Damas auch eine Art Widerstand gegen den Massentourismus – und freut sich, dass es bislang überlebt hat: «In den letzten Jahren mussten viele Kultur- und Nachtlokale, in die wir Einheimischen gegangen sind, schliessen, weil sie mit den Tourischuppen nicht mehr mithalten konnten. Das Damas hingegen hat trotz der Touristeninvasion sein lokales Wesen beibehalten.»

Die Ruhe vor dem Sturm bzw. die Stille vor dem Service: So trifft die Autorin das Lokal an. Später wird es hier zischen und klirren.

Zu früher Stunde ist es im Lokal noch ruhig, abends füllt es sich und wird lauter. Pfannen zischen, Flaschen klirren. Um sich zu verstehen, muss man immer lauter reden.

Eine Speisekarte? Gibt es nicht. Die Gerichte stehen an der Wand geschrieben – ausschliesslich auf Portugiesisch. Aber die Bedienungen nehmen sich gern Zeit, die Essensauswahl auf Englisch zu erklären. Es gibt Tapas zum Kombinieren: mit Fleisch, Fisch und jede Menge vegane Optionen wie Maniok-Pommes-frites oder den Pilzteller Pica-Pau. Im Damas werden Klassiker aufgemotzt – nicht nur das alte Gebäude, sondern auch die Gerichte.

Nach dem Essen ist Live-Musik aus dem Nebenraum des Restaurants zu hören. Ein kleiner Gang führt in den Hinterraum mit Bühne und Platz zum Tanzen. Am Wochenende treten hier lokale Künstler auf. Mal erklingt ein Mix aus alternativer Musik von den Kapverden und portugiesischem Pop, mal Electronic House, mal traditioneller Fado. Einheimische und Touristen tanzen dann zusammen. Aber Obacht: Die Kräfte gut einteilen, denn jetzt gehts erst ins Partyviertel der Einheimischen schlechthin.

Vorglühen

Cais do Sodré ist ein Stadtteil, von dem die meisten Auswärtigen nur die Feiermeile Pink Street mit ihren hippen Bars und Beizen kennen. Doch wer die überlaufende Strasse Richtung Westen verlässt, findet sich in einem ganz anderen Cais do Sodré wieder: Zwischen Hauswänden, von denen der Putz abblättert, treffen sich jeden Abend Einheimische zum Vorglühen. Kein Wunder, denn hier findet man noch Bier für einen Euro pro 2-dl-Glas.

In und vor den alten Bars, die seit Jahrzehnten hier sind, heute fast unscheinbar neben den bunten Leuchtreklamen der moderneren Lokale. Viele von ihnen haben nicht mal ein Namensschild über der Tür. Und auf Facebook oder Tripadvisor findet man sie schon gar nicht.

Kein Name, nur eine Nummer: Die Bar Dona Maria kennen nur Insider.

So auch die Bar Dona Maria, wie es auf den Kassenbons steht, in der Travessa Ribeira Nova, Hausnummer sieben. Einheimische nennen sie «a velha», die Alte. Der Name spielt auf die Barkeeperin Maria Fernandez Estevez an, die mit 90 Jahren noch immer jeden Abend Bier zapft. Mit ihrem Mann kam sie in den 1940ern aus Galicien und eröffnete die Bar.

Auf einem Regal hinter dem Tresen stehen Weinkartons und Flaschen mit Ginjinha, portugiesischem Kirschlikör. An anderen Stellen hängen Fotos von lokalen Autoren, die bisweilen für Poetry-Slams herkommen. Vergilbte Fliesen, ein Edelstahllavabo und vier kleine Tische, die an ein Klassenzimmer erinnern – A velha hat ihren einfachen Charakter behalten und ist gerade deshalb so beliebt bei den Einheimischen. Es ist das Portugal, das sie von früher kennen.

Früher trafen sich hier Seefahrer mit ihren Ehefrauen, wenn sie auf Durchreise in der Stadt waren, erzählt Lucía Riveiro Fernandez, 54, die Tochter von Gründerin Maria. Seit dem Tod ihres Vaters vor 20 Jahren hilft sie im Familienbetrieb mit. «Die Stadt hat sich sehr verändert. Heute will man uns hier nicht mehr haben.»

In Cais do Sodré mussten bereits einige traditionelle Bars weichen. Das Gebäude, in dem sich A velha befindet, wurde vor kurzem an Investoren verkauft, nun soll hier ein Hotel entstehen. «Unsere Tradition wird leider nicht mehr respektiert, es geht nur noch ums Geld», sagt Lucía. Aber sie werde um die Bar kämpfen – für ihre Mutter, für die Stammkunden, und auch für den ein oder anderen Touristen, der herkommt, um das echte portugiesische Nachtleben kennen zu lernen.

Ab in den Club

Gegen ein Uhr nachts gehts weiter in den Club. Im Nachbarviertel Santos, in das man laufen oder eine Station mit dem Tram Richtung Cascais fahren kann, gibt es gleich mehrere Clubs zur Auswahl: Im K Urban Beach zum Beispiel sieht alles sehr modern und edel aus. Wer eintritt, wird von rot-blauem Licht beschienen, das aus dünnen Lampen kommt, die wie Eiszapfen von der Decke hängen. In der Mitte des grossen Raumes steht die Bar, deren Theke golden leuchtet. Daneben die Tanzfläche – die ist meistens voll, und Lieblingslieder werden laut und ausgelassen mitgesungen. Je nach Wochentag läuft Pop, Reggaeton oder Techno. Links von der Bar befindet sich eine Lounge mit weissen Sofas. Wer hier entspannt, hat einen tollen Blick auf den Fluss Tejo.

Auch der Club Lust in Rio befindet sich direkt am Flussufer. Bei gutem Wetter wird draussen getanzt, unter Palmen. Kommt man an einem Tag, an dem ruhigere Musikrichtungen wie Funk oder R’n’B gespielt werden, ist das Strandgefühl perfekt.

Doch auch die Club-Szene Lissabons wird inzwischen vom Tourismus geprägt. Inês Bueno, 25, ist gerne in den Bars und Clubs unterwegs und sagt: «Besonders seit dem Ende der Pandemie treffe ich dabei so viele Leute aus der ganzen Welt – manchmal fühlt es sich an, als sei ich in einem anderen Land.» Es gefällt ihr, sich mit Auswärtigen auszutauschen.

Allerdings wirke sich das auch auf die Preise der Drinks aus: «Die sind inzwischen nicht mehr für uns gemacht!» Junge Leute in Portugal haben noch immer mit den Auswirkungen der jahrelangen Schuldenkrise zu kämpfen. Es gibt zwar genug Arbeitsplätze, die Löhne sind allerdings, gerade wenn man keinen Hochschulabschluss hat, so niedrig, dass es viele ins Ausland zieht.

Und wie sieht es bei den alteingesessenen Clubs aus? Der Elektro-Club Kremlin, ebenfalls in Santos gelegen, gehört zu den ältesten. Er wurde 1988 gegründet und in den 90ern als einer der besten Clubs der Welt gehandelt. Was Kremlin besonders macht, ist der Mix aus rustikalem und modernem Ambiente: Die alten Steinwände, Holzsäulen und Gewölbebögen werden von warmem Licht angestrahlt. Auf der Tanzfläche hingegen ist es bunt: Rot, grün und violett leuchtet es über der tanzenden Menge.

Laut, stickig, ungezwungen: Genau so wie im Kremlin muss eine Clubnacht sein.

Elektronik-, House- und Techno-DJs legen hier auf, international bekannte wie auch aufstrebende Talente. «Der Club hat es geschafft, mit der Zeit zu gehen», sagt João Mateus, 24. Früher kamen seine Eltern her, heute kommen er und seine Freunde. Die Musik ist laut, die Luft stickig, die Stimmung ungezwungen und aufgeladen.

Durch den Tourismus sind in der Stadt viele neue Nachtlokale entstanden, die dem Kremlin Konkurrenz machen. Filipe Martins, 44, einer der beiden Besitzer, sieht darin auch eine Chance: Dadurch bleibe er angeregt, das Kremlin innovativ zu halten und die neusten Trends der Musikszene zu verfolgen. Indem man auch Nachwuchs-DJs aus Portugal eine Chance gibt, stärkt man wiederum die Bindung zum einheimischen Publikum. «Die Locals sehen das Kremlin nach wie vor als einen ihrer Lieblingsclubs, weil er so tief in der Partyszene der Stadt verankert ist.»

Auskatern

Nach einer langen Nacht läuft der nächste Tag etwas ruhiger an. Ein Spaziergang an der frischen Luft durch Lissabons grössten Park, den Parque Florestal de Monsanto, ist da ideal – selbst im Winter sind die Bäume hier grün. Wer ihn im Nordwesten betritt, kommt wahrscheinlich am Gelände der Event-Location Monsantos Open Air vorbei – Restaurant, Club und Veranstaltungsort für Konzerte in einem. Am Wochenende trifft man sich hier zum Brunch.

Im Sommer kann man draussen sitzen, im Winter in einem Raum mit grossen Fenstern, Malereien von Tieren an den Wänden und von Pflanzen an der Decke.

Nach dem Brunch kann man noch etwas im Park bleiben. Denn nachmittags an den Wochenenden wird es bei Monsantos Open Air musikalisch. Im Club auf dem Gelände finden das ganze Jahr über Tribute-Konzerte zur Musik bekannter Künstler wie der Beatles, Queen oder Coldplay statt. Im Sommer lohnt sich ein Besuch noch mehr: Jedes Wochenende gibts Live-Open-Airs, bei denen portugiesische, brasilianische und spanische Künstler auftreten. Sonntag ist Samba-Tag.

Monsantos Open Air gibt es seit 2020. In den vergangenen zwei Jahren ist die Zahl der Gäste aus dem Ausland stark gestiegen. «Wir arbeiten auch mit Firmen zusammen, die sich auf ein internationales Publikum konzentrieren», erklärt der 35-jährige Besitzer Hugo Silva. Doch auch Einheimische kämen noch gern hierher, weil sie die besondere Atmosphäre mitten in der Natur schätzten. «Wir mögen diesen Mix», so Silva. Egal, ob Einheimischer oder Tourist: Hier kann jeder entspannt die Woche ausklingen lassen.