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Wunderkind Mirra AndrejewaSie siegt mit einem Lächeln auf dem Gesicht, aber gnadenlos

Ein spektakuläres Comeback: Mirra Andrejewa kämpft sich nach einem 1:5 im 3. Satz in den Achtelfinal.

Martina Hingis war 16, als sie 1997 durchs Tableau des Australian Open spazierte. Sie gab auf dem Weg zu ihrem ersten Grand-Slam-Titel keinen Satz und in Halbfinal und Final gegen Mary Joe Fernandez und Mary Pierce nur je vier Games ab. «Locker, fast lautlos tänzelnd wie eine Ballerina in Turnschuhen» habe sie eine neue Ära im Frauentennis eingeleitet, urteilte die Agentur Associated Press. Die «New York Times» schrieb, sie habe ihre Finalgegnerin Pierce «mit der Präzision einer Schweizer Uhr und dem Temperament eines Piranhas vernichtet».

27 Jahre später verblüfft in Melbourne wieder eine 16-Jährige: die Russin Mirra Andrejewa. Wie sie in Runde 2 die Tunesierin Ons Jabeur 6:0, 6:2 vom Court fegte, als wäre es das Normalste der Welt, war eindrücklich und erinnerte an Hingis. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht, aber gnadenlos in den Ballwechseln, liess sie der Weltnummer 6 keine Chance. Mit einer spektakulären Wende gegen die Französin Diane Parry (WTA 72) erreichte sie bei ihrer ersten Teilnahme im Hauptfeld gleich den Achtelfinal des Australian Open.

Nun schaut sogar Murray zu

Andrejewa lag gegen Parry im dritten Satz scheinbar hoffnungslos 1:5 zurück und siegte noch 1:6, 6:1, 7:6. Sie habe sich gesagt, sie wolle mindestens noch ein Game holen, damit sie nicht zwei Sätze 1:6 verliere, erzählte sie. So begann ihre verrückte Aufholjagd. Auch Andy Murray, ihr Idol bei den Männern, schaute sich das Spiel an und tweetete darüber, was sie besonders freute. «Ich werde den Tweet ausdrucken, Rahmen lassen und überallhin mitnehmen», sagte sie strahlend.

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Als Andrejewa im Frühling 2023 ihre ersten Schritte auf der Profitour machte, wurde sie zunächst bekannt für ihre Schwärmerei für Murray. «Du triffst beim Mittagessen all diese Stars wie Andy Murray. Du siehst sein Gesicht, und er ist so wunderschön im realen Leben», sagte sie in einem Fernsehinterview am Turnier in Madrid, wo sie als Weltnummer 194 eine Wildcard erhalten und mal eben zwei Top-20-Spielerinnen geschlagen hatte. Ihre Aussage sorgte für Amüsement, auch bei Murray, der auf Twitter selbstironisch schrieb: «Stellt euch vor, wie gut sie einmal wird, wenn sie ihre Augen hat korrigieren lassen.»

Inzwischen ist Andrejewa so richtig angekommen bei den Grossen. Spielte sie im April 2023 noch zwei kleinere ITF-Turniere in Chiasso und Bellinzona, die sie vor einer Handvoll Zuschauer beide gewann, ist sie inzwischen in den Top 50 und wird als künftige Grand-Slam-Siegerin gehandelt. Würde sie es schon in Melbourne schaffen, wäre sie ein halbes Jahr älter als einst Hingis, die 1997 mit 16 Jahren und 3 Monaten triumphierte.

Sie erobert die Tenniswelt im Sturm: Mirra Andrejewa in Melbourne, eskortiert von Sicherheitsleuten.

Nicht nur Andrejewas jugendliche Leichtigkeit, auch ihre Spielintelligenz gemahnt an Hingis, die ihre Gegnerinnen ausmanövrierte wie eine Schachspielerin. «Ich tue auf dem Court einfach das, was ich für richtig halte», sagte Andrejewa am French Open. «Ich spreche mit meinen Coaches schon über die Taktik und denke kurz vor dem Spiel auch darüber nach, aber dann vergesse ich das ganze Zeugs und spiele einfach so, wie ich es gerade spüre.» Gegen Parry stürmte sie bei 2:5 im dritten Satz und Matchball gegen sich einfach mal spontan ans Netz. «Da schoss mir durch den Kopf: Bin ich verrückt? Aber zum Glück verschlug sie.» 

Andrejewa gefallen die Vergleiche mit Hingis. Obschon deren beste Zeiten schon vorbei waren, als die Russin 2007 im sibirischen Krasnojarsk zur Welt kam, ist sie ein grosser Fan der Schweizerin und schaut sich ihre Spiele immer wieder an. «Mir gefällt ihr Spielweise sehr», sagte sie nach ihrem Zittersieg gegen Parry. «Sie las das Spiel ausgezeichnet. Aber sie spielte ein bisschen aggressiver als ich. Sie versuchte immer ans Netz vorzustossen, um den Punkt abzuschliessen. Ich kann auch ans Netz gehen, aber meistens gewinne ich meine Ballwechsel von der Grundlinie.»

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Man könnte es so ausdrücken: Beide verstehen es, ihre Gegnerinnen auf dem Platz herumzumanövrieren. Sie sind auch ähnlich gross, rund 1,70 Meter. Sicher verfügte Hingis über das feinere Händchen, mehr Variantenreichtum und die besseren Volleys, dafür hat Andrejewa etwas mehr Power bei der Vorhand und beim Aufschlag. Und sie schreit lauter auf dem Court und ballt öfter die Faust als Hingis.

Ihr Ziel: 25 Grand-Slam-Titel

Eine Partie, die Hingis schmerzte, schaute sich Andrejewa besonders oft an: diejenige, bei der die Schweizerin im Paris-Final 1999 gegen Steffi Graf auf die andere Seite des Courts lief, um einen Ballabdruck zu überprüfen. Hingis war spielerisch klar überlegen, führte schon 6:4, 2:0, als der Eklat passierte. Das Publikum schlug sich danach auf die Seite der Deutschen, die in drei Sätzen gewann. Bei Hingis flossen Tränen. «Mir tut das immer enorm leid für sie, wenn ich den Match schaue», sagt Andrejewa. «Das Publikum hatte sich auf sie eingeschossen. Das hatte sie nicht verdient.» 

Auch die Auftritte von Roger Federer schaut sich Andrejewa gern an. Ihr Lieblingsspiel: der epische Final 2017 in Melbourne gegen Rafael Nadal, als der Schweizer im fünften Satz 1:3 zurückliegt und danach kein Game mehr abgibt. Die Tennisgeschichte kennt Andrejewa also gut, jetzt möchte sie gern ihre eigene Geschichte schreiben. «Ich will 25 Grand-Slam-Titel gewinnen», sagte sie im vergangenen Jahr in Paris keck. Das wären so viele wie Hingis und Federer zusammen.