Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

OL-Weltmeister Matthias KyburzAls Vater fehlt ihm plötzlich die Zeit, also läuft er nun Marathon

Zeigte schon 2022, dass er auch auf der Strasse sehr schnell ist: Matthias Kyburz gewinnt über die 10 Meilen beim GP Bern.

Gring abschaute u seckle – dieses Motto passt ganz gut zum aktuellen Leben von Matthias Kyburz. An einem kühlen Januarmorgen läuft der 33-Jährige beim Flughafen Belp in Bern los, er rennt schnell und wird danach nur noch schneller, ehe die Quälerei nach zwei Stunden vorbei ist. 35 Kilometer hat er zurückgelegt, in einem Kilometerschnitt von 3:28, die letzten 1000 Meter in drei Minuten. Auf der Trainingsplattform Strava schreibt er danach über die Einheit: «Learning to become simple minded».

Das Training des Orientierungsläufers aus Möhlin AG ist in diesem Winter eintöniger als auch schon, für den Körper, aber vor allem auch für den Kopf. Keine Läufe im Wald über Stock und Stein. Nur wenige Langlaufkilometer auf den Loipen im Goms, wo er sich in der Vergangenheit die Grundlagenausdauer für den Sommer geholt hatte. Und vor allem kein OL-spezifisches Training mit Karte und Kompass. Denn Kyburz rennt zurzeit vor allem auf der Strasse. Und das meistens ziemlich schnell.

Es wird eine spezielle Saison 2024 für den Fricktaler, der im Orientierungslauf fast alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt, unter anderem achtmal WM-Gold und sechsmal den Gesamtweltcup. Denn Kyburz, einer der stärksten Läufer im OL-Weltcup, versucht sich nun endlich am Marathon, nachdem ihm in den letzten Jahren Physiologen, Experten und Teamkollegen versichert haben, dass er dort dank seinen aussergewöhnlichen Fähigkeiten mit den Besten mithalten könnte.

Mit der Hilfe von Viktor Röthlin

Doch Kyburz will nicht irgendein Rennen über die 42,195 Kilometer laufen, sondern sich gleich im ersten Versuch für die Olympischen Spiele in Paris diesen Sommer qualifizieren. Die Limite dafür liegt bei 2:08:10, das entspricht einem Kilometerschnitt von 3:02 Minuten.

Nur zwei Schweizer rannten bisher schneller: Viktor Röthlin und der aktuelle nationale Rekordhalter Tadesse Abraham. «Die Zeit ist sicher sehr ambitioniert. Vor allem auch, weil es mein erster Marathon sein wird. Aber die Leistungsdaten, die wir bisher gesammelt haben, deuten darauf hin, dass ich es schaffen kann. Dafür muss jedoch alles zusammenpassen», sagt Kyburz.

Unterstützt wird Kyburz, der seit einigen Jahren in der Region Bern zu Hause ist, von Röthlin selber. Der 49-Jährige lief in seiner Karriere 2:07:23, holte unter anderem EM-Gold und WM-Bronze. Seit dem Karriereende betreut Röthlin vor allem Hobbysportler auf ihrem Weg zum ersten Marathon. Nun schreibt er auch für Kyburz die Trainingspläne und gibt ihm seine Erfahrungen weiter. Dazu kommen regelmässige Besuche im Labor für Leistungstests. Röthlin und sein Schützling wollen nichts dem Zufall überlassen.

Anfang Dezember gewann Matthias Kyburz den Steinhölzlilauf bei Bern mit grossem Vorsprung.

Dass Kyburz gerade jetzt den Wechsel zum Marathon wagt, hat einen guten Grund. Seine Ehefrau und er wurden Anfang Jahr Eltern. Das Leben wurde hektischer, der Alltag enger getaktet, und Kyburz, der neben dem Sport 40 Prozent bei den SBB arbeitet, wollte auf zeitraubende Trainingslager im In- und Ausland verzichten. «In diesem Aspekt ist das Marathontraining einfacher. Ich kann bei uns vor die Tür treten und loslaufen. Wenn ich zwei Stunden trainieren will, dann bin ich nach zwei Stunden wieder zu Hause. Das ist beim OL nicht immer möglich, da das Training oft nicht so zeiteffizient ist.»

Vom reinen Trainingsaufwand her unterscheidet sich das Leben des Marathonläufers Kyburz verglichen mit dem des Orientierungsläufers Kyburz jedoch nicht gross. Er investiert gleich viele Stunden wie zuvor, nur legt er nun die meisten Kilometer im flachen Gelände zurück. Einen langen Lauf über 30 bis 35 Kilometer, zwei schnelle Einheiten sowie mehrere Krafttrainings absolviert er aufgeteilt auf sieben Tage. Insgesamt kommt er auf rund 180 Kilometer, jede Woche. Es ist das neue, simple und doch brutale Leben des Läufertalents Kyburz.

Die Schinderei soll sich auszahlen, wenn er am 7. April in Paris an der Startlinie stehen wird und die Qualifikation für den Olympia-Marathon, der genau vier Monate später an gleicher Stelle stattfindet, schaffen will. 2:08:10 also. Nur gerade 46 Athleten liefen in diesem Jahr bisher schneller. Die meisten kommen aus Äthiopien, Eritrea oder Kenia.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Allerdings: Dass Kyburz mit den besten Läufern mithalten kann, hat er in den letzten Jahren bereits eindrücklich bewiesen. 2022 gewann er den prestigeträchtigen GP Bern über 16,1 Kilometer. Zwei Jahre zuvor stellte er während der Corona-Pandemie den 50-Kilometer-Weltrekord auf dem Laufband auf und rannte dabei für fast drei Stunden ein Tempo von 3:31 pro Kilometer.

Und in diesem Jahr liess er sich bei den Winterwettkämpfen von den stärksten Spezialisten der Schweiz nicht abschütteln. Beim Zürcher Silvesterlauf wurde er in einem starken Feld Vierter, nur knapp hinter Dominic Lobalu, dem neuen grossen Talent in der Schweizer Laufszene – aber noch vor Weltklasseläufern wie Julien Wanders, Tadesse Abraham oder Jonas Raess.

Dennoch ist sich Kyburz bewusst, wie schwierig das Marathon-Unterfangen für ihn sein wird. Auch darum sagt er, dass es für ihn kein misslungenes Projekt wäre, wenn er die Limite nicht knacken sollte. «Wenn ich nach 2:11 oder 2:12 ins Ziel komme und alles gegeben habe, dann werde ich sicher nicht unzufrieden sein», sagt er. Auch mit dem Wissen, dass ihm eine solch starke Zeit via Jahres-Weltrangliste dennoch einen Start an den Olympischen Spielen ermöglichen könnte.

Ob für Kyburz der Marathon zur Erfolgsgeschichte wird oder nicht, zum Orientierungslaufen möchte er so oder so zurückkehren – wenn vielleicht auch nur für den perfekten Karriereabschluss. 2025 findet die Weltmeisterschaft in Finnland statt. Dort will er endlich Gold über die Langdistanz gewinnen. Es ist die letzte Lücke in seinem OL-Palmarès.