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Lohnunterschiede in der SchweizSogar in vorbildlichen Unternehmen verdienen Männer mehr als Frauen

Unbegründet bevorzugt: In den untersuchten Firmen erhalten Männer durchschnittlich 2,9 Prozent mehr Lohn als Frauen.

Robert ist unzufrieden. Wie alle anderen in seinem Büro verdient er 100’000 Franken im Jahr. Doch soeben ist seine Chefin durchs Büro gelaufen und hat allen Frauen ein Couvert mit 2900 Franken zugesteckt. Die Männer gingen leer aus. Ungerecht, oder?

Die Szene ist natürlich absurd und komplett erfunden, denn in Wahrheit ist es genau andersrum. Denn so ergeht es laut einer rechtzeitig auf den Internationalen Frauentag vom Freitag erstellten Auswertung des Gewerkschafts­dachverbands Travailsuisse vielen Frauen in grösseren Schweizer Unternehmen. Im Schnitt verdienen Männer dort unbegründbar 2,9 Prozent mehr Lohn als Frauen, im Median sind es 2,6 Prozent.

Diese Daten beziehen sich nur auf Unternehmen, die zu den vorbildlichen des Landes gehören – zumindest was Gleichberechtigung angeht. Denn sie haben von sich aus mit Travailsuisse zusammengearbeitet, um auf ihrer «weissen Liste» zu landen. Dort werden Unternehmen aufgeführt, die sich an das Gleichstellungsgesetz halten.

Lohnunterschied von mehr als 7,5 Prozent

Gemäss dem überarbeiteten Gesetz müssen seit bald vier Jahren Unternehmen mit mehr als hundert Mitarbeitenden eine Lohnanalyse erstellen und diese von einer externen Stelle kontrollieren lassen. Im Sommer 2023 mussten die Ergebnisse erstmals den Beschäftigten und Aktionären mitgeteilt werden.

Gegenüber den Behörden sind die Unternehmen jedoch keine Rechenschaft schuldig. Das Gesetz sieht auch keine Strafen vor, falls jemand die Analyse nicht durchführt.

Travailsuisse startete deshalb ihre Liste, um die Arbeitgeber «positiv zu bestärken», sich an die Vorgaben zu halten. Auf dieser führt sie knapp 200 Unternehmen auf, welche die Lohnanalyse nachweislich durchgeführt und mitgeteilt haben.

Aufgrund der so gesammelten Daten konnte Travailsuisse nun errechnen, wie es um die Lohnungleichheit bei den Unternehmen auf der Liste steht. So fand der Verband unter anderem heraus, dass in jedem zwanzigsten Unternehmen ein Lohnunterschied von mehr als 7,5 Prozent zwischen den Geschlechtern besteht.

Auch kleinere Unternehmen sollen Löhne analysieren

Auf die ganze Schweiz seien diese Zahlen jedoch nur bedingt anwendbar, sagt Thomas Bauer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travailsuisse und zuständig für die Lohnanalyse. «Die Zahlen basieren auf den Daten von Firmen, denen Lohngleichheit wichtig ist und die häufig auch über standardisierte Lohnvorgaben verfügen.» So kam eine Untersuchung des Bundesamts für Statistik für das Jahr 2020 zu einem deutlich höheren unerklärbaren Lohnunterschied.

Zwar würden die Unternehmen auf der Liste insgesamt etwa eine halbe Million Menschen beschäftigen, sagt Bauer. Doch weil Travailsuisse vor allem bei kleineren Unternehmen Lohndiskriminierungen vermutet, fordert sie vom Parlament eine Ausweitung der Analysepflicht auf Unternehmen ab fünfzig Angestellten.

Viel Unwissen in den Unternehmen, was die Zahlen aussagen

Der Gewerkschaftsdachverband kritisiert, dass die Unternehmen die Ergebnisse der Lohnanalyse den Mitarbeitenden häufig nicht gut genug zugänglich machten. So seien die Analysen teils nach wenigen Wochen in den Untiefen des Intranets verschwunden oder zuhinterst im Geschäftsbericht versteckt worden. Ein Unternehmen habe trotz fünf Prozent Lohnunterschied verkündet, bei ihm gebe es «gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit».

Schuld an der unklaren Kommunikation seien aber auch die Vorgaben des Bundes über die Auswertung der Analyse. Er stellte zwar ein Standardtool zur Verfügung, in dem die Arbeitgeber alle Angestellten und ihre Löhne eintragen können. Dazu erfasst es Geschlecht, Anzahl Jahre im Betrieb, Ausbildung, Funktion, Anforderungsprofil und Ähnliches. So sollen möglichst viele objektive Gründe für Lohnunterschiede weggerechnet werden. Doch die statistischen Toleranzwerte liessen teils unterschiedliche Interpretationen der Resultate zu.

Dass manche Firmen unsicher sind, wie sie ihre Lohnanalysen auswerten sollen, bestätigt Theresa Goop vom Kompetenzzentrum für Diversity und Inklusion der Universität St. Gallen. Sie forscht zur Gleichstellung und unterstützt Unternehmen bei der Lohnanalyse. «Ich beobachte immer wieder, dass viel Unwissen vorhanden ist, was die Zahlen genau aussagen.»

«Wichtiger, aber nicht ausreichender Schritt»

Goop sieht die 2,9 Prozent Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern denn auch nicht als stichfesten Beweis für eine Diskriminierung. So würden beim Tool des Bundes verschiedene ähnliche Jobpositionen zusammengefasst. Es sei damit nicht möglich, keinerlei Unterschiede auszuweisen.

«Dass die Benachteiligung in den allermeisten Fällen zuungunsten der Frauen ausschlägt, ist aber dennoch aussagekräftig – um nicht ‹alarmierend› zu sagen», sagt Goop. Tatsächlich sind laut Travailsuisse nur in 7,5 Prozent aller Unternehmen die Frauen bessergestellt.

Die zentrale Frage sowohl für Goop als auch Travailsuisse ist jedoch, was aus der Lohnanalyse folgt. Der Gewerkschaftsverband erachtet diese als «wichtigen, aber nicht ausreichenden Schritt zur Reduktion der Lohndiskriminierung». Es müssten konkrete Lohnanpassungen folgen.

Für Theresa Goop ist vor allem der Fokus auf die Chancengleichheit wichtig. Nach wie vor würden mehr Männer in gut bezahlten Positionen landen. Aber immerhin würden die Zahlen nun zeigen, dass, wenn eine Frau es einmal in eine Position geschafft hat, sie dort wenigstens fast gleich viel verdient.