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Caster Semenya klagt an«Die Medikamente verändern alles – es ist die Hölle»

Läuft künftig nur noch für sich selber: Caster Semenya.

Sie will keine Rennen mehr bestreiten. Aber sie will weiterkämpfen. Ihre Stimme erheben. Die Hoffnung für die nächste Generation sein. Den Leuten etwas über Humanität und Menschenrechte beibringen. So sagt das Caster Semenya.

Die zweifache Olympiasiegerin über 800 m hat in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit dem deutschen TV-Sender ARD erklärt, dass sie mit dem Leistungssport abgeschlossen hat: «Gott hat mir die Möglichkeit gegeben, erfolgreich Wettkämpfe zu bestreiten. Dieses Kapitel hat er nun für mich beendet, ein neues hat begonnen.» Sie vermisse die Rennen eigentlich nicht, sagt die 32-jährige Südafrikanerin. «Ich habe alles erreicht, was ich wollte. Ich mache weiter meine Trainings-Sessions, gehe auf die Bahn und gebe mein Bestes, aber vor allem für mich.»

Semenya ist seit Jahren im Clinch mit dem Leichtathletik-Weltverband World Athletics wegen dessen Testosteron-Regeln. Mit Medikamenten sollte sie ihren hohen natürlichen Testosteronspiegel unter einen bestimmten Schwellenwert senken, damit sie über 800 Meter startberechtigt ist. «Wenn ich ein Mann wäre, würde ich mit Männern laufen. Aber ich bin kein Mann. Ich bin einfach eine Frau», stellt Semenya nun erneut klar. «Und ich weiss, dass ich eine Frau mit Unterschieden in meinem Körper bin.» Laut Angaben in ihrer Autobiografie hat sie keine Gebärmutter und keinen Eileiter.

Nach erfolglosen Klagen vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS und dem Schweizer Bundesgericht urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Sommer mit 4:3-Richterstimmen zugunsten von Semenya. Der Gerichtshof hat das Verfahren mittlerweile an die Grosse Kammer verwiesen.

Panikattacken und durchgeschwitzte Nächte

Semenya berichtet im ARD-Interview über die Folgen der Medikamenteneinnahme. «Nur aus Verzweiflung bin ich das Risiko eingegangen», sagt sie. «Es ist die Hölle, du arbeitest in einem Tunnel ohne Licht. Es verändert alles. Es verändert deine Gefühle. Du fühlst dich jeden Tag schwach. Du bist jeden Tag krank, aufgebläht.» Sie habe Panikattacken bekommen und jede Nacht geschwitzt. «Du isst ununterbrochen. Du nimmst zu. Es verändert dich einfach als Mensch. Das ist nicht das Leben, das man haben will.»

World Athletics lehnt es bisher ab, seine Regeln zu ändern. Semenya war daher auf die 5000 Meter ausgewichen, konnte aber nicht an ihre Erfolge über 800 Meter anknüpfen. Dem Weltverband wirft sie vor, sie ihrer besten Jahre beraubt zu haben. «Ich glaube, dass sie den Frauensport respektlos behandeln. Die Regulierung des Frauensports geschieht, weil sie eine Grenze ziehen wollen. Damit Frauen niemals so grossartig sind wie Männer», sagt Semenya.

Sie nimmt das Internationale Olympische Komitee in die Pflicht. «Das IOK als Mutterorgan muss damit beginnen, die Athleten zu schützen. Wenn wir Wandel herbeiführen wollen, müssen wir Druck ausüben. Und der grösste Unsinn besteht darin, zu sagen, es sei notwendig, eine Frau zu diskriminieren, weil diese mit Unterschieden geboren wird.»

«Das ist jetzt meine Aufgabe»

Semenya will ein Vorbild sein für ihre Nachfolgerinnen, damit diese künftig für sich eintreten, wenn ihnen etwas missfällt. Sie sagt: «Ich möchte ihnen etwas beibringen über Bescheidenheit, Würde, Respekt, Selbstwahrnehmung. Was es heisst, sich selbst zu lieben, andere Menschen zu akzeptieren, wie sie sind. Und ich will, dass sie sich nicht mehr von den Mächtigen ausbeuten lassen. Das ist jetzt meine Aufgabe.»

Sie findet, dass im Sport grundsätzlich etwas falsch läuft. «Die Funktionäre berufen sich in ihren Reden auf Nelson Mandela: dass Sport die Kraft habe, die Welt zu ändern. Aber sie halten sich nicht daran. Stattdessen diktieren sie den Athleten ihre Regeln und fördern damit Diskriminierung.» Jeder Mensch habe das Recht, an der Welt des Sports teilzuhaben, «aber das herrschende System im Weltsport ist das alte Muster von Ausgrenzung, Missbrauch und Diskriminierung».

Deshalb fordert Semenya: «Lasst uns aufhören, Menschen in unterschiedliche Gruppen aufzuteilen, sie auszugrenzen. Darum geht es, weniger um die Anerkennung für mich.»

DPA/kai