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Klimaneutrales FliegenSwiss setzt neu auf «CO₂-Staubsauger»

Die Swiss will mit neuen Methoden klimaneutral werden.

Wiederaufforstung von Wäldern, neue Solaranlagen, effiziente Kocher: Flugreisende können heute mit einem Aufpreis auf ihrem Ticket Klimaschutzprojekte unterstützen, um ihren CO2-Ausstoss während der Flugreise zu kompensieren. Nun kommt eine weitere Möglichkeit dazu: ein «CO2-Staubsauger».

Die Swiss und die Lufthansa Group haben einen Vertrag mit Climeworks unterzeichnet, wie am Donnerstagmorgen bekannt geworden ist. Für das Schweizer Unternehmen mit Sitz in Zürich sind es die ersten Kunden aus der Luftfahrtindustrie.

Climeworks gehört zu den Pionieren einer Technologie, die direkt aus der Atmosphäre CO2 abscheidet. Fachleute sprechen von Direct Air Capture. Climeworks nahm 2021 die weltweit erste Fabrik «Orca» in Island in Betrieb. «Wir glauben, dass es wichtig ist, solche neuen Technologien zu unterstützen», sagt Swiss-Chef Dieter Vranckx.

Climeworks wird nun im Auftrag der Swiss und Lufthansa Group CO2 aus der Luft entfernen. Wie viel und zu welchen Kosten für die Fluggesellschaften, sagen die Vertragspartner nicht. Offen bleibt damit, inwieweit das Fliegen teurer wird.

Die Swiss rechnet unbesehen vom Vertrag mit Climeworks, dass Flugtickets mittel- und langfristig «eher teurer» werden, da die Umstellung auf einen nachhaltigeren Luftverkehr viel koste.

Die Swiss will bis 2030 ihre CO2-Emissionen gegenüber 2019 halbieren und bis 2050 klimaneutral werden. Dabei setzt sie nebst der CO2-Abscheidung unter anderem auf effizientere Flugzeuge und synthetischen Treibstoff.

Nur eine kleine Minderheit zahlt extra

Die Swiss-Passagiere ihrerseits erhalten neu die Möglickeit, ihre Flugemissionen mit dem «CO2-Staubsauger» zu kompensieren. Auf diese Weise sollen sie «ebenfalls einen Beitrag leisten können», um das Wachstum dieser Technologie zu beschleunigen, sagt eine Swiss-Sprecherin.

Wie das Angebot für die Kundinnen und Kunden im Detail aussieht, ist noch nicht klar. Angedacht ist laut Swiss-Kommerzchefin Heike Birlenbach, dass die Fluggäste künftig bewusst entscheiden können, wie sie kompensieren – ob zum Beispiel nur mit dem «CO2-Staubsauger« oder über synthetischen Treibstoff. Birlenbach geht davon aus, dass es dafür in Zukunft eine Nachfrage geben wird.

Fraglich ist jedoch, inwieweit die Kundschaft extra zahlen will. Heute ist es eine kleine Minderheit, die zusätzlich zum Flugbillett ein Klimaticket löst. Im vergangenen Jahr waren es laut Swiss gut 5 Prozent. Weil es heute noch sehr teuer ist, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen, dürfte ein entsprechendes Klimaticket deutlich mehr kosten.

Der Preis für das Klimaticket wird auch davon abhängen, wie schnell es gelingt, die Technologie auf breiter Basis anzuwenden. Heute ist bei Climeworks die Kapazität der CO2-Ausscheidung noch äusserst bescheiden.

Zwar entsteht bereits die nächste Generation von Anlagen: «Mammoth» ist zehnmal grösser als «Orca» und wird in wenigen Wochen den Betrieb in Island aufnehmen. Die Anlage soll in Vollbetrieb etwa 34 000 Tonnen CO2 jährlich aus der Luft ziehen. Allerdings ist selbst das heute nur ein kleiner Teil der Emissionen, welche die Swiss pro Jahr ausstösst.

Die Anlage «Orca» von Climeworks in Island.

Zum Vergleich: Der Weltklimarat geht davon aus, dass bis 2050 jährlich Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden müssen, damit das Ziel des Pariser Klimavertrags erfüllt werden kann. Bis dann soll die Welt netto-null Treibhausgase produzieren. 

Climeworks hat sich hohe Ziele gesetzt. Bis 2030 will das Unternehmen eine Million Tonnen CO2 jährlich aus der Luft filtern, bis 2050 soll es eine Milliarde sein. Dafür braucht es hunderte Anlagen mit einer Kapazität von einer Million Tonnen.

Die Zusammenarbeit mit Swiss und Lufthansa Group soll bei diesem Ausbau helfen. Den bisher grössten Auftrag hat Climeworks im vergangenen Jahr mit der weltweit tätigen Unternehmensberaterin Boston Consulting Group abgeschlossen. So sollen über die nächsten 15 Jahre 80’000 Tonnen CO2 aus der Luft entfernt werden.

Climeworks ist längst nicht mehr der einzige Player auf dem Markt für die CO2-Entfernung. Inzwischen gibt es 27 solcher Fabriken weltweit, die 10’000 Tonnen CO2 jährlich filtern können, wie die Internationale Energieagentur schätzt. Weitere 130 Anlagen sollen in verschiedenen Entwicklungsstadien geplant sein.

Bis 1000 Dollar pro Tonne

Die Energieagentur geht davon aus, dass es bis 2030 möglich sein wird, etwa 75 Millionen Tonnen CO2 jährlich aus der Atmosphäre zu entfernen. Diese Technologie wird besonders in den USA gefördert. Davon profitiert auch Climeworks. Das Unternehmen wurde für drei staatlich geförderte Direct-Air Capture-Projekte ausgewählt.

Je schneller die Fabriken wachsen, desto schneller werden die Kosten für diese noch sehr teure Technologie sinken. Allerdings gehen ETH-Forschende in einer kürzlich veröffentlichten Studie in der wissenschaftlichen Zeitschrift «Joule» davon aus, dass der Preis im Jahr 2050 zwischen 230 und 540 Dollar liegen wird, um eine Tonne CO2 aus der Luft zu entfernen. Das sind deutlich höhere Preise, als Experten bisher erwartet haben.

Climeworks sieht die Kostenentwicklung optimistischer. Heute kostet die Entfernung einer Tonne CO₂ zwischen 600 und 1000 Dollar. Es sei aber realistisch anzunehmen, so Climeworks, dass der Preis bis 2050 unter 200 Dollar pro Tonne gesenkt werden könne.

Doch selbst das wäre noch immer deutlich mehr als andere Klimaschutzmassnahmen. Zum Beispiel kostet es heute 50 Dollar, um mithilfe von Solarenergie den Ausstoss von einer Tonne CO2 zu vermeiden.