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Streit um GelderKirchensteuern für Unternehmen sollen wegfallen

Blick auf den Kirchturm der Johanneskirche in der Stadt Bern. Die Kirchen stehen im Gegenwind.

Im letzten Moment machte FDP-Grossrat Carlos Reinhard einen halben Rückzieher: Vor Beginn der Debatte im bernischen Grossen Rat wandelte er seine Motion in ein weniger verbindliches Postulat um. Das Kantonsparlament stimmte mit 93 Ja- zu 52-Nein-Stimmen bei 10 Enthaltungen deutlich zu.

Das heisst, der Regierungsrat wird nun lediglich überprüfen und einen Bericht dazu verfassen, was die Folgen sind, wenn die Kirchensteuern für Unternehmen freiwillig werden. Genau das hatte die zuständige Regierungsrätin Evi Allemann bereits als Wunschszenario genannt.

Regierungsrätin Evi Allemann nimmt Stellung.

Es sei richtig, diese Frage zu stellen, sagte sie. «Wir leben in einer religiös und weltanschaulich vielfältigen Gesellschaft.» Nun werde man die Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft sorgfältig prüfen und Vorschläge für eine verfassungskonforme Umsetzung unterbreiten.

Konkret geht es um 40 Millionen Franken, welche juristische Personen im Kanton Bern pro Jahr an die Landeskirchen abgeben. Aber hinter der emotionalen Debatte darüber steckt viel mehr als eine reine Kosten-Nutzen-Analyse.

Gesellschaft hat sich gewandelt

Es geht auch um Grundsatzfragen: Wieso können Menschen aus der Kirche austreten, aber Unternehmen, Genossenschaften und Vereine nicht? Ist es fair, wenn zum Beispiel eine muslimische Firmeninhaberin für die römisch-katholische, die christkatholische und die reformierte Kirche Steuern zahlen muss? Aber auch: Wie sollen Kirchen ihre gemeinnützigen Aufgaben wahrnehmen, wenn ein beachtlicher Anteil ihrer Einnahmen wegfällt?

«Die Diskussion zeigt, dass sich emotional etwas verändert hat», sagt der Berner Theologe und Ethiker Mathias Wirth. «In unserer pluralisierten Gesellschaft leuchtet es vielen nicht mehr ein, wieso hier ein vermeintlicher Mikrokosmos staatlich unterstützt wird.»

Mathias Wirth ist Theologe an der Universität Bern.

Hinzu käme, dass die Kirchen sich teils selbst verschuldet ein Glaubwürdigkeitsproblem eingehandelt hätten. Er spielt damit unter anderem auf den Missbrauchsskandal in der römisch-katholischen Kirche an.

Sogar innerhalb der politischen Fraktionen waren die Meinungen vielfach geteilt. Deshalb war die Erleichterung darüber, dass Carlos Reinhard auf ein Postulat umschwenkte, im Berner Rathaus schon fast physisch spürbar. Insbesondere bei SP-Grossrätin Ursula Marti, die zugleich Synodalrätin der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn ist. Sie bedankte sich explizit für den Kompromiss.

In einer Medienmitteilung betonten die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn anschliessend, sie würden den gesellschaftlichen Wandel erkennen und die Diskussion «offen und konstruktiv begleiten». Trotz Kirchenaustritten sähen sie ihre Aufgabe darin, «allem Volk» zu dienen. So stehe es in der Kirchenverfassung.

Wie gross die Auswirkungen sind, ist umstritten

Klar wurde in den politischen Voten, dass die meisten das Engagement der Landeskirchen in den Bereichen Bildung, Soziales und Kultur schätzen. Diese hatten bereits gewarnt, dass sie ihre Arbeit einschränken müssten, wenn die Kirchensteuern für juristische Personen freiwillig würden.

An einer Medienkonferenz am 20. Februar sprachen sie von gesamtgesellschaftlichen Leistungen im Wert von rund 183 Millionen Franken im Jahr, die sie erbringen. Darin enthalten sind Angebote wie Jugendarbeit, Seniorennachmittage, Seelsorge, aber auch kulturelle Veranstaltungen.

Motionär Carlos Reinhard betonte wiederholt, er gehe nicht davon aus, dass die Kirchensteuern ganz ausbleiben würden. Das Beispiel Neuenburg zeigt allerdings, dass die Gelder für Kirchen tatsächlich deutlich zurückgehen, wenn sie nicht mehr obligatorisch sind. Reinhard hält dagegen, dass sich Firmen teilweise in anderen Formen sozial engagierten.

Carlos Reinhard (FDP) bei der Kirchensteuern-Debatte im Grossen Rat.

Der Auslöser für seinen Vorstoss war die Unterstützung mancher Kirchgemeinden für die Konzernverantwortungsinitiative. Es könne nicht sein, dass Kirchen ihre Einnahmen aus Steuergeldern nutzten, um politisch aktiv zu werden, findet der Freisinnige.

Nächste Grundsatzdebatte folgt im Herbst

Hier widerspricht Theologe Mathias Wirth. Er meint: «Die Religionsgemeinschaften mischen sich politisch eher zu wenig ein.» Weil sie es bei der Konzernverantwortungsinitiative ausnahmsweise einmal getan hätten, wirke es nun so, als richte sich ihr Engagement einseitig gegen die Wirtschaft.

«Es ist wichtig, dass die Kirchen ihre Perspektiven einbringen. Weil die Demokratie von verschiedenen streitbaren Positionen lebt, sollten sie öfter ihr Wort erheben in politischen Diskussionen.»

Sicher ist: Im Herbst steht gleich noch mal eine kirchliche Grundsatzdebatte an. Dann wird der Grosse Rat über die Kantonsbeiträge an die Landeskirchen für die kommenden sechs Jahre befinden.

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