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Weltrekordhalter stirbt mit 24Er wollte den Marathon in eine neue Dimension führen

Marathon-Weltrekordhalter Kelvin Kiptum stirbt in der Nacht auf Montag in Kenia.

Plötzlich war er da. Und ebenso plötzlich ist er nicht mehr da.

Die Meldung vom Tod des Marathon-Weltrekordhalters Kelvin Kiptum hat die Sportwelt erschüttert. Kenianische Medien berichteten in der Nacht auf Montag, der erst 24-Jährige sei bei einem Autounfall tödlich verunglückt. Er selber habe am Steuer gesessen, als das Auto von der Strasse abgekommen sei und mit einem Baum kollidierte. Die kenianische Polizei berichtete, Kiptum sei am späten Sonntagabend auf dem Heimweg von Eldoret gewesen, einem der Zentren im Rift Valley, in denen Spitzenläufer im Hochland Kenias trainieren. Neben ihm ist auch sein Trainer Gervais Hakizimana aus Ruanda ums Leben gekommen, eine Begleiterin wurde schwer verletzt.

Die Leichtathletik-Welt reagierte geschockt. Sebastian Coe, der Präsident des Weltverbands, äusserte sich «tieftraurig». «Ein unglaublicher Athlet hinterlässt ein unglaubliches Vermächtnis, wir werden ihn sehr vermissen», schrieb der Brite auf X. Und der kenianische Präsident William Ruto würdigte Kiptum als Ausnahmesportler. «Er war nur 24 Jahre alt, ein Held. Seine mentale Stärke und seine Disziplin waren unerreicht», schrieb Ruto ebenfalls auf X, «Kiptum war unsere Zukunft.»

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Plötzlich war er da. Als Kiptum vor eineinviertel Jahren in Valencia seinen ersten Marathon überhaupt lief, wunderten sich die Beobachter erst über seinen wunderschönen und effizienten Laufstil – und dann ebenso über seine verblüffende Zeit: 2:01:53 Stunden. Nie zuvor war einer bei seiner Premiere so schnell gewesen, nicht einmal eine Minute war er über dem Weltrekord geblieben – und der Kenianer war da eben erst 23 Jahre alt. Kiptum war einer der neuen Generation, einer, der sich nicht erst auf der Bahn versuchte, sondern die Pace gleich auf der Strasse setzte.

Und mit dieser horrenden Pace lief Kiptum weiter. Nur Monate später gewann er den prestigeträchtigen London Marathon, näherte sich weiter dem Weltrekord von Landsmann und Überfigur Eliud Kipchoge – bis er ihn im Herbst 2023 in Chicago übertrumpfte. In 2:00:35 Stunden löste er Kipchoge als schnellsten Marathonläufer ab, unterbot dessen Marke um mehr als eine halbe Minute – und verkündete umgehend neue Ziele.

Rekordjubel in Chicago: Kelvin Kiptum feiert letzten Oktober seine Weltrekordzeit von 2:00:35 Stunden.

Kiptum war womöglich auf dem Weg zu noch Grösserem, als er es bis dahin schon geleistet hatte. Der noch immer unheimlich junge Sportler (im Gegensatz zum schon 39-jährigen Kipchoge) wollte der erste Mensch werden, der die 42,195 Kilometer in einem offiziellen Rennen in unter zwei Stunden läuft. Dafür hatte er sich das Rennen in Rotterdam von Anfang April ausgesucht.

Kenias Präsident Ruto hat wohl Recht, wenn er sagt, Kiptum sei die Zukunft Kenias gewesen. An Olympischen Spielen, an den Marathon-Majors, den grossen sechs über diese Distanz. Das neue Gesicht unter den vielen jungen, austauschbar wirkenden Langstreckenläufern. Ein Gesicht, das allerdings in den wenigen Jahren in der Sportöffentlichkeit auch einige Fragen provoziert hat. War er tatsächlich der Autodidakt, der in jüngsten Jahren einfach seinen älteren und schnelleren Kollegen hinterhergerannt war? War sein Weg tatsächlich nur ein paar Halbmarathons lang, wie es die schmalen Statistiken von World Athletics seit 2018 wiedergeben?  

Als Kiptum nach seinem Debüttriumph in Valencia gefragt wurde, wer ihn denn eigentlich trainiere, verwunderte er mit seiner Antwort: «Ich habe keinen Trainer!» Ein knappes Jahr später in Chicago, nachdem er zur Nummer 1 im Marathon geworden war, verwirrte er dann mit der Aussage, dass er «seit zwei Jahren» von Hakizimana trainiert werde. Nicht alles war schlüssig in seiner kurzen Karriere, und nicht grösser hätte der Unterschied zu jener von Kipchoge sein können.

2018 lief Kiptum als 18-Jähriger in Eldoret seinen ersten Halbmarathon, in diesem Alter wurde Kipchoge Weltmeister über 5000 m auf der Bahn. Kipchoge sammelte erst seine vielen Auszeichnungen im Stadion, ehe er die Strasse eroberte. Doch anlasten kann man Kiptum deswegen nichts. Die Wege im Sport sind individuell, und der Langstreckenlauf ist wie kaum eine Disziplin in der Leichtathletik im Wandel.

Auch Kipchoge zeigte sich in den sozialen Medien erschüttert: «Ich bin zutiefst traurig über den tragischen Tod. Er hatte sein ganzes Leben noch vor sich, um eine unglaubliche Grösse zu werden. Ich spreche seiner jungen Familie mein tiefstes Beileid aus.» 

Kiptum hinterlässt ein enormes Vermächtnis

Und plötzlich ist Kiptum also nicht mehr da. Wird nicht in Rotterdam sein und auch nicht an den Olympischen Spielen in Paris. Sein Weltrekord wurde erst in der vergangenen Woche von World Athletics homologiert, sein Vermächtnis ist enorm. Und sein tragischer Tod ist ein weiterer in einer verstörend dunklen kenianischen Serie.

Die Läufernation verlor bereits 2011 einen ihrer Grossen: Samuel Wanjiru, der Marathon-Olympiasieger von 2008 in Peking, starb im gleichen Alter unter mysteriösen Umständen. Die Obduktion ergab, dass er wohl erschlagen worden war. Und zehn Jahre später erschütterte der Tod der mehrfachen Cross-Weltmeisterin Agnes Tirop die Läuferszene. Die 26-Jährige war in ihrem Zuhause in Iten erstochen aufgefunden worden – Opfer eines Femizids. 

In Vergessenheit wird Kiptum nicht geraten. Die Marathonbesten werden sich in den kommenden Jahren an seiner Hinterlassenschaft abarbeiten.