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Kein Tempo 30 auf HauptstrassenDrohendes Tempodiktat erzürnt Berner Gemeinden

Die Stadt Bern möchte auf der Monbijoubrücke Tempo 30 einführen. Eine eidgenössische Motion will jedoch für solche Hauptstrassen fix Tempo 50 festsetzen.

15’000 Autos überqueren pro Tag die Monbijoubrücke in Bern. Es ist die zentrale Achse, die das Kirchenfeld- mit dem Mattenhofquartier verbindet. Geht es nach dem Gemeinde- und dem Stadtrat, soll dort künftig statt Tempo 50 bloss noch Tempo 30 erlaubt sein. Bürgerliche Parteien sehen darin einmal mehr ein von rot-grüner Ideologie getriebenes Ausbremsen der Autofahrenden.

Die bisweilen emotionale Debatte dreht sich um eine Grundsatzfrage: Sollen Städte und Gemeinden Tempo 30 nicht nur in Quartieren einführen, sondern auch auf Hauptstrassen? Viele sind daran, dies zu tun. Am weitesten geht bislang Freiburg, das als erste Schweizer Stadt im Herbst die Höchstgeschwindigkeit auf all seinen Hauptverkehrsachsen auf 30 Kilometer pro Stunde gesenkt hat.

Nun gerät diese Praxis unter Beschuss, und zwar auf eidgenössischer Ebene. Am Ursprung steht der Luzerner FDP-Nationalrat Peter Schilliger. Mit einem verbindlichen Vorstoss will er sicherstellen, dass auf Hauptstrassen grundsätzlich Tempo 50 gilt. So soll es neu im Strassenverkehrsgesetz verankert werden.

Schilliger will damit erreichen, dass die verschiedenen Strassentypen im Verkehrsnetz ihre Funktionen behalten. Er befürwortet denn auch Tempo 30 oder 20 auf Strassen in Wohnquartieren. Doch wenn vermehrt auch auf Hauptverkehrsachsen Tempo 30 eingeführt werde, herrsche ein Wildwuchs.

Kruit: «Eingriff in Gemeindeautonomie»

Der Vorstoss hat gute Chancen, im Parlament eine Mehrheit zu finden. Eine Mitte-rechts-Mehrheit im Nationalrat hat Schilligers Motion im Herbst gutgeheissen. Auch der Ständerat dürfte ihr diese Woche zustimmen; die vorberatende Kommission jedenfalls hat den Vorstoss mit acht zu drei Stimmen deutlich angenommen.

Eine Annahme würde der geplanten Temporeduktion auf der Berner Monbijoubrücke einen Riegel vorschieben – und womöglich auch andernorts. So plant die Stadt gemäss eigenen Angaben auf neun weiteren sogenannten «verkehrsorientierten Strassen» Tempo-30-Abschnitte – unter anderem auf der Achse Nordring–Lorrainebrücke–Bahnhofplatz. In den letzten Jahren hat die Stadt bereits auf einigen Hauptstrassen Tempo 30 eingeführt, so etwa auf der Viktoriastrasse.

Wenig überraschend stösst der bürgerliche Vorstoss beim rot-grünen Gemeinderat auf wenig Wohlwollen. Verkehrsdirektorin Marieke Kruit (SP) sieht darin einen Eingriff in die Gemeindeautonomie. Ausserdem würde die starre Regelung ihrer Ansicht nach der Realität nicht gerecht, da sie «bewährte Lösungen und erzielte Verbesserungen gefährdet».

Die Stadtberner Verkehrsdirektorin Marieke Kruit sieht «bewährte Lösungen gefährdet».

«Das Temporegime auf einer Strasse muss immer der konkreten Situation entsprechen», findet Kruit. Dies hänge nicht bloss davon ab, ob die Strasse verkehrsorientiert sei oder nicht. Ebenso wichtig seien Kriterien wie Sicherheit, Lärm und Aufenthaltsqualität. Die Flexibilität, jeweils situativ entscheiden zu können, wolle man unbedingt beibehalten. Eine flächendeckende Einführung von Tempo 30 wie in Freiburg lehnt Kruit ebenso ab.

Das städtische Amt für Verkehrsplanung weist zudem darauf hin, dass bisher noch kein Gericht eine in Bern geplante Tempo-30-Zone inhaltlich als nicht verhältnismässig beurteilt habe.

Unverständnis auch in Thun und Münsingen

Temporeduktionen auf Hauptstrassen werden jedoch keineswegs nur von rot-grünen Städten wie Bern vorgenommen. Auch die bürgerlich geprägte Stadt Thun hat gemäss eigenen Angaben bislang auf sechs verkehrsorientierten Abschnitten Tempo 30 eingeführt. Jüngstes Beispiel ist die Schulstrasse, wo nach dem Willen von Regierung und Parlament spätestens ab Sommer Tempo 30 gelten soll. Die Forderung dazu kam aus der Quartierbevölkerung.

Auch auf der Schulstrasse in Thun sollen künftig statt 50 km/h nur noch höchstens 30 km/h erlaubt sein.

«Ich bin der Ansicht, dass auf verkehrsorientierten Strassen grundsätzlich Tempo 50 gelten soll», sagt der zuständige Thuner Gemeinderat Reto Schertenleib (SVP), «es gibt aber Fälle, in denen eine Temporeduktion durchaus Sinn ergibt.» Er kritisiert damit ebenso die starre Regelung der eidgenössischen Motion.

Betroffen von einer Tempo-50-Vorschrift auf Hauptstrassen wären auch Dörfer. Auch dort zeichnet sich ein Trend ab, auf den jeweiligen Ortsdurchfahrten Tempo-30-Abschnitte einzuführen. Ein aktuelles Beispiel ist Münsingen, wo die Sanierung der Bernstrasse dazu genutzt wird, um das Tempo im Dorfkern zu drosseln.

Gemeindepräsident Beat Moser (Grüne) gibt seinem Unmut gegenüber dem drohenden Tempodiktat aus Bundesbern deutlich Ausdruck. Als «unsinnig» bezeichnet er den Vorstoss. Damit würden demokratisch gefällte Entscheide auf Gemeindeebene übersteuert. Die Konsequenzen eines Tempo-30-Verbots wären seiner Ansicht nach erheblich: «Man müsste als Folge wohl sehr viele Lärmschutzmassnahmen umsetzen.»

Auch er verweist auf die Rechtsprechung. So habe das Bundesgericht eine Beschwerde des TCS gegen Tempo 30 auf der Münsinger Ortsdurchfahrt abgeschmettert. Ein Gutachten war zum Schluss gekommen, dass die Temporeduktion den Verkehrsfluss auf der chronisch überlasteten Ortsdurchfahrt verbessern würde.

Neuhaus: «Interessen einseitig berücksichtigt»

Der kantonale Verkehrsdirektor Christoph Neuhaus (SVP) macht auf ein weiteres Problem aufmerksam: Die Kategorisierung in verkehrsorientierte und siedlungsorientierte Strassen sei nicht immer eindeutig, da eine Strasse in der Regel mehrere Funktionen übernehme. «Eine Ortsdurchfahrt ist zugleich Verkehrs- wie auch Aufenthaltsraum», sagt er. Das zeigt sich etwa am Beispiel Münsingen, wo diverse Restaurants und Geschäfte die Ortsdurchfahrt säumen.

Bis Ende Jahr wird in Münsingen die Bernstrasse saniert. Auf der Ortsdurchfahrt gilt neu Tempo 30.

Auch Neuhaus hält nicht viel von der Motion aus Bundesbern. Im Kanton Bern fahre man gut mit der Einzelfallprüfung. «Die Motion stellt eine Abkehr davon dar und würde auf Hauptverkehrsachsen die Interessen nur einseitig berücksichtigen», sagt er. Er betont weiter, dass Gemeinden Tempo 30 auf Hauptstrassen nicht einfach nach Belieben einführen könnten. Es brauche dafür ein Verkehrsgutachten, einen Massnahmenplan sowie die Zustimmung des Kantons.

Anders sieht es bei der Einführung von Tempo 30 auf Quartierstrassen aus. Auf 2023 hin hat der Bundesrat hierfür bürokratische Hürden abgebaut. Seither besteht für Gemeinden keine Pflicht mehr, mit einem Gutachten nachzuweisen, dass die Temporeduktion Gefahren vermindert oder den Verkehrsfluss verbessert. Als Begründung reicht etwa, dass dadurch die Lebensqualität verbessert werden soll.

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