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SVP-Grossrätin abgeblitztDas allgemeine Bettelverbot wurde deutlich abgelehnt

Eine Bettlerin in der Stadt: Die Bieler SVP-Grossrätin Sandra Schneider wollte das Gesetz im Umgang mit dem Betteln verschärfen. Doch ihre Motion wurde im Grossen Rat abgelehnt.

Der Vorstoss war kurz und knapp formuliert, gab im Vorfeld aber viel zu reden. Die Bieler SVP-Grossrätin Sandra Schneider sowie ihre Mit-Unterzeichner, der Gerolfinger Korab Rashiti und der Berner Thomas Fuchs (beide SVP), forderten die Einführung eines generellen Bettelverbots im Kanton Bern. Sie orientierten sich am baselstädtischen Bettelverbot, das vom Bundesgericht grösstenteils für rechtskonform erklärt worden ist: Verboten werden soll das Betteln, wenn es organisiert, aufdringlich oder aggressiv, täuschend oder unlauter ist, oder wenn andere Personen zum Betteln geschickt werden.

1991 war ein Bettelverbot im Kanton Bern abgeschafft worden, seither ist der Umgang mit Bettelnden Sache der Gemeinden. In Biel etwa ist gemäss dem Ortspolizeireglement «das unverhältnismässig offensive, aggressive Werben und Betteln» untersagt.

Der Regierungsrat empfahl, die Motion anzunehmen, um gewappnet zu sein, falls sich die Lage verschärfen sollte. Am Mittwoch kam das Geschäft in den Grossen Rat.

«Banden einen Riegel schieben»

«Bei Leuten, die bandenmässig auftreten, müssen wir einen Riegel schieben», sagte Sandra Schneider zum Auftakt der Grossratsdebatte. Man wolle gegen den Menschenhandel vorgehen und mit einem Gesetz die Polizeiarbeit vereinfachen.

SVP-Grossrätin Sandra Schneider scheiterte mit ihrer Motion.

Die Bieler Neo-Grossrätin Anna Tanner ergriff für die Fraktion SP/Juso das Wort: «Jeder Mensch, der in eine Notlage gerät, soll die Möglichkeit erhalten, seine Mitmenschen um Unterstützung zu bitten.» Das Recht zu Betteln sei die elementare Freiheit der Lebensgestaltung. Viele der geforderten Punkte seien bereits in der geltenden Gesetzgebung geregelt. Die organisierte Kriminalität wiederum sei mittels Bettelverbot nicht einzudämmen, sondern werde so höchstens in den Untergrund verdrängt.

Unterstützt wurde Tanner von Christa Ammann (Grüne/Bern), die den Vorstoss als «absolute Katastrophe» bezeichnete. Es sei nicht der Job der Politiker, Verbote zu machen, damit die Menschen auf ihrem Arbeitsweg nicht mehr mit Armut konfrontiert würden.

«Ist es der richtige Weg?»

Die Bürgerlichen waren gespalten. «Ja, aber», sagte die EDU: Der Titel der Motion sei zu hart formuliert, und die Erfahrungen der anderen Kantone müssten in einem Gesetz berücksichtigt werden. «Jein», tönte es aus der Mitte. Eine knappe Mehrheit seiner Fraktion sei vermutlich dafür. «Doch ist es der richtige Weg?», fragte André Roggli (Rüschegg-Heubach). Ein klares «Ja» sprach die Nidauerin Pauline Pauli im Namen der FDP-Fraktion aus, die GLP dagegen findet ein flächendeckendes Verbot nicht menschenrechtskonform und stellte die Ablehnung in Aussicht.

Nicht einmal die SVP-Fraktion unterstützte ein generelles Bettelverbot geschlossen. Es gebe einige Gegner oder Enthaltungen, sagte der Schüpfener Martin Schlup. Er selbst aber leistete Schützenhilfe für Sandra Schneider und Co.: «Betteln wird immer noch möglich sein.» Er finde aber, dass das in der reichen Schweiz aufgrund des gut ausgebauten Sozialnetzes sowie des Fachkräftemangels gar nicht nötig sein sollte.

Ganz andere Töne schlug Parteikollege Mathias Müller aus Orvin an: «Ich bin gegen das Bettelverbot. Es widerspricht den Kernwerten des Liberalismus.» Betteln sei ein Akt der Selbstbestimmung – niemand werde dadurch bedroht, und niemand werde gezwungen, etwas zu geben. «Und Hand aufs Herz: Sind Bettler wirklich eine solche Plage?», so Müller. Viele empfänden die diversen Strassenaktionen von NGOs oder Parteien als mindestens ebenso lästig.

Viele der weiteren Rednerinnen und Redner pochten auf die Gemeindeautonomie, da vor allem die Städte vom Betteln betroffen seien: «Ich möchte selbst entscheiden können, was wir in Ostermundigen brauchen», sagte etwa Melanie Gasser (GLP).

«Das Betteln romantisiert»

Dass es knapp werden könnte, wusste Sandra Schneider. Doch am Ende fiel der Entscheid sehr deutlich aus: Der Grosse Rat lehnte das generelle Bettelverbot mit 102 Nein- zu 48 Ja-Stimmen bei sechs Enthaltungen ab. Es ist anzunehmen, dass einige Parlamentarier spontan umgeschwenkt waren.

«Die Enttäuschung ist sehr gross», sagte Sandra Schneider nach der Abstimmung gegenüber dem BT. Als der Regierungsrat die Motion zur Annahme empfahl, habe sie sich gefreut. Er habe erkannt, dass Handlungsbedarf bestehe. Schneider rechnete anfangs mit geschlossener bürgerlicher Unterstützung, beobachtete aber im Laufe der Debatte, wie diese immer stärker bröckelte – sogar in den eigenen Reihen. «Das ist ein schlechtes Zeichen: Gewisse Leute haben das Betteln romantisiert, und auch das kriminelle Bandenbetteln wird schöngeredet.»