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Jugendliche am Gewehr«Mein Jungschützenkurs ist keine militärische Übung»

Entsichern, anvisieren, abdrücken – für Jungschützen nur unter Beobachtung.

Die Bise hat nachgelassen, die Sicht ist gut. Cedric nimmt die Waffe hoch, legt die linke Hand an die Schulter, den Zeigefinger der rechten auf den Abzug. «Feuer frei», ruft die Jungschützenleiterin, und augenblicklich verstummen die Gespräche im Schützenhaus.

Mit einem leisen Klicken entsichert er seine Waffe. Sein Körper ist gespannt, der Atem geht flach.

Einatmen, ausatmen – dann zieht er ab.

Der Knall verhallt kaum am Waldrand, schon fällt der nächste Schuss. Auf der Trefferanzeige leuchtet erst eine gelbe Acht, dann eine Sieben auf.

Vorbereitung auf das Militär

Es ist ein Samstagnachmittag auf der Schiessanlage Bärenried in Münchenbuchsee. Das zweite Training der Jungschützen in diesem Jahr. 13 Jugendliche haben sich für den Kurs angemeldet, 12 Jungen und ein Mädchen.

Stellvertretender Jungschützenleiter Markus Isch (2. von links) und sein überschaubares Grüppchen: 13 Jugendliche haben sich für den Kurs in Münchenbuchsee angemeldet.

Das Angebot ist kostenlos, zugelassen sind alle zwischen dem 15. und dem 20. Lebensjahr. Die einzige Teilnahmebedingung: der Schweizer Pass. Wer keinen besitzt, erhält weder Waffe noch Patronen.

Jeweils im Frühling beginnt der Unterricht. Abseits der Kaserne, im Schützenhaus des nächstgelegenen Vereins. An 135 verschiedenen Standorten im Kanton wird der Kurs angeboten, die dafür anfallenden Kosten übernimmt der Bund.

Gut 950’000 Franken investierte er 2022 in die Schiessausbildung für Jugendliche. Seit 1909 gehört diese zum Ausbildungskonzept der Armee – als Vorbereitung auf den Wehrdienst. Heute sollen die Jungschützenkurse vor allem Begeisterung für das sportliche Schiessen wecken, teilt die Schweizer Armee mit. Dies sei eine wertvolle Freizeitbeschäftigung, um Kameradschaft und Wettkampfgeist zu fördern.

Zwischen Vertrauen und Kontrolle

«Mein Kurs ist keine militärische Übung», stellt Jasmin Isch, Jungschützenleiterin der Militärschützen Münchenbuchsee, klar. «Die wenigsten denken ans Militär, wenn sie sich hier anmelden.»

Sie erteilt das Kommando: Jungschützenleiterin Jasmin Isch.

Isch muss laut sprechen. Der Lärm aus den Gewehren ist ohrenbetäubend, das Tragen eines Gehörschutzes ein Muss. Um den Jugendlichen den Umgang mit dem Sturmgewehr 90 beibringen zu können, hat sie eine fünftägige Ausbildung absolviert.

Während sie gegen den Lärm anredet, wandert ihr Blick immer wieder zu den Jugendlichen am Gewehr. Sie liegen bäuchlings auf einer Gummimatte, in unregelmässigen Abständen fallen Schüsse.

«Wer zum ersten Mal in den Kurs kommt, wird 1:1 von einer Leiterin oder einem Leiter betreut», erklärt Isch. «Sind die Teilnehmenden bereits erfahren, üben sie zu zweit. Einer schiesst, der andere notiert die Resultate.»

Sicherer Umgang mit der Waffe

Isch lädt alle Jugendlichen aus der Gemeinde persönlich zum Kurs ein. Bei den Eltern komme das nicht immer gut an: «Einmal rief mich eine Mutter an und warf uns vor, wir würden Gewaltförderung betreiben. Hätte sie nicht gleich wieder aufgelegt, hätte ich ihr angeboten, im Schützenhaus vorbeizukommen.»

Konzentration und Körpergefühl – Cedric (vorne) und Paul sind motorisch und mental trainiert.

Mit solchen Vorurteilen sei der Schiesssport oft konfrontiert, fährt Isch fort. «Dabei passiert hier genau das Gegenteil von Gewaltförderung: Die Jugendlichen müssen lernen, Verantwortung zu tragen. Sie müssen sich konzentrieren, Nervosität aushalten können.»

Was im Kurs gelehrt wird, ist vom Bund exakt vorgeschrieben: An zwei Abenden erhalten die Teilnehmenden Theorieunterricht – korrektes Sichern, richtige Schussabgabe, Waffenkunde –, dann dürfen sie einmal wöchentlich im Schiessstand trainieren.

Insgesamt zwölf Tage Unterricht gehören in Münchenbuchsee zur Ausbildung. Dazu kommen Wettkämpfe wie das Feldschiessen oder die Jungschützenmeisterschaft.

«Schiessen ist ein Sport. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Waffen verletzen können», sagt die Jungschützenleiterin. Disziplin sei deshalb wichtig. «Mir chöi s gärn luschtig haa – wenn geschossen wird, müssen aber stets die Regeln eingehalten werden.»

Zu viele Alternativen

Um 15 Uhr ist das Training zu Ende. Die Waffen werden gesichert, in der Luft hängt noch der scharfe Geruch abgefeuerter Munition. Gemeinsam montieren die Jugendlichen die Zielscheiben ab und putzen den Russ aus ihren Gewehren. Jasmin Isch tauscht ihre Ohrenschützer gegen eine Mütze in Regenbogenfarben.

Jessica ist als einziges Mädchen mit dabei. «Mit einem Gewehr zu schiessen, ist ein spezielles Gefühl.»

Sie sagt: «Klar, in diesem Alter faszinieren Waffen. Meldet sich aber jemand nur deswegen für den Kurs an, ist er fehl am Platz.» Diskriminierende Sprüche oder respektloses Verhalten – «so etwas geht hier nicht».

Meist spreche sich das Angebot unter Freunden herum, erklärt sie weiter. So auch im Fall von Jessica (15). Sie ist zum ersten Mal im Kurs, und heute zum zweiten Mal im Schiessstand. «In Münchenbuchsee sind Jungschi und Pfadi beliebt. Viele in meinem Alter haben keine Zeit für ein neues Hobby.»

In den letzten Jahren habe sich die Teilnehmerzahl fast halbiert, fügt Jasmin Isch an. «Es gibt heute einfach zu viele Möglichkeiten für die Jungen», sagt sie. «Bis nach Bern ist es nicht weit.»

Eine Frage der Kultur

Wie die Statistik des Berner Schiesssportverbands zeigt, meldeten sich 2023 gut 8000 Mädchen und Jungen aus der ganzen Schweiz für den Jungschützenkurs an, davon etwa 1500 aus dem Kanton Bern. Die Zahlen sind, mit Ausnahme eines pandemiebedingten Einbruchs, seit Jahren stabil.

Auch später im Militär muss das Sturmgewehr korrekt zusammengesetzt werden.

So auch im Oberaargau, wie Silvia van Leenen, Jungschützenleiterin der Sportschützen Bettenhausen, schreibt. Das Schiessen gehöre zur Kultur, die veränderten Interessen der Jungen seien aber spürbar. «Dass die Ausbildung am Sturmgewehr oft mit Krieg gleichgesetzt wird, hilft uns sicher nicht.»

Die Feldschützen Röthenbach im Emmental können dieses Jahr keinen Nachwuchskurs durchführen. Es ging keine einzige Anmeldung ein. Immerhin haben die umliegenden Vereine regen Zulauf.

Woran das liegt? Nicole Schönholzer, Jungschützen-Verantwortliche der Feldschützen Röthenbach, hat gleich mehrere Theorien: «Sicher spielt das Freizeitangebot im Dorf eine Rolle.» In Röthenbach seien die Hornusser-Gesellschaft und der Jodlerklub sehr aktiv.

Entscheidend sei aber die Verbundenheit mit dem Schiesssport. «Ist ihre Familie seit Generationen im Schützenverein dabei, melden sich die Jugendlichen eher für den Kurs an.»

Nach dem Militär ist Schluss

Punkto Jungschützen «gut aufgestellt» sei man derweil im Berner Oberland, wie Pascal Jutzeler, Leiter Jungschützen der Schützengesellschaft Erlenbach-Wimmis, mitteilt. In zahlreichen Vereinen der Region würden die Kurse jeweils gut besucht.

Und auch er selber sei zufrieden: «Seit 2016 konnten wir die Zahl unserer Jungschützen etwa verfünffachen.» Tradition, Zusammenhalt und ein abwechslungsreiches Programm würden den Kurs für Jugendliche attraktiv machen. «Ausserdem sind beim Schiessen Geschlecht und Körpergrösse weniger wichtig als in anderen Sportarten.»

Die Munition wird den Jungschützinnen und -schützen vom Bund zur Verfügung gestellt.

Dass das Interesse am Kurs stark angestiegen ist, hat aber noch einen anderen Hintergrund: 2016 wurde das Mindestalter für den Jungschützenkurs von siebzehn auf fünfzehn Jahre gesenkt. Eine Massnahme, die sowohl der Armee als auch den Schützenvereinen zugutekommen soll.

Vielerorts haben die Vereine mit Überalterung zu kämpfen. Über den Jungschützenkurs neue Mitglieder zu gewinnen, sei jedoch schwierig, so der Tenor aus allen Regionen. Die meisten würden mit dem Schiesssport aufhören, sobald sie in die Ausbildung oder ins Militär kommen.

Unter Beobachtung

Noch in einem weiteren Punkt sind sich die Leiterinnen und Leiter einig: Wer den Jungschützenkurs besucht, hat später im Militär einen Vorteil. «Rekruten, die vor der RS bereits den Umgang mit der Waffe erlernt haben, sind viel sicherer», erklärt Silvia van Leenen aus Bettenhausen.

Zu Ausstellungszwecken: Ab 17 Jahren dürfen die Jungschützinnen und Jungschützen ihre Waffe zu Hause aufbewahren. Scharf ist sie aber nicht.

15.30 Uhr in Münchenbuchsee: Die Waffen sind geputzt und werden im Keller eingeschlossen. Aber nicht alle – wer 17 Jahre oder älter ist, darf sein Sturmgewehr mit nach Hause nehmen. «Natürlich ohne Munition», erklärt Cedric. Der Siebzehnjährige stammt aus einer militärbegeisterten Familie. Ob er Dienst leisten wolle, ist deshalb keine Frage. «Witermache» sei sein Ziel.

Er schultert sein Gewehr. «Wenn man so durchs Dorf geht, wird man sehr genau angeschaut.»

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