Das komplette Gurten-Programm – Ein Hoch auf die Diversität

Nelly Furtado, Michael Kiwanuka oder Stormzy: Am Gurtenfestival wird 2024 ein wilder Stilmix geboten. Wir werfen einen ersten kritischen Blick aufs Programm.

Ane Hebeisen

Publiziert: 07.03.2024, 17:02

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Eines sei vorweggenommen: Monokultur wird es auf der Gurtenwiese auch im Jahr 2024 nicht geben. Dies lässt sich aus dem nun komplettierten Programm des Festivals ablesen. Es ist ein Programm, das auf die grösstmögliche Divergenz setzt, auf den Zauber des Gegensätzlichen. Ein Beispiel gefällig? Einen härteren Kontrast als zwischen dem Berner Rock von Patent Ochsner und dem juvenilen Eskapismus des Berliner Gabber-Techno-Projekts Brutalismus 3000 kann ein Festival nun wirklich nicht auftischen. 

Damit löst das Gurtenfestival sein Versprechen ein, sich die Diversität nicht nur auf die Fahne zu schreiben, sondern auch musikalisch umzusetzen. Ein Blick auf die einzelnen Tage:

Der Mittwoch 

Das Motto des Eröffnungstages könnte man mit urbaner Volksnähe umreissen. Zum bereits angekündigten Deutschpop-Bassmusic-Helden Peter Fox hat sich mit Stormzy eine der solidesten, aber auch durchaus opportunistischsten UK-Rap-Hoheiten gesellt. Daneben wird der porentief fabulöse Singer-Songwriter Michael Kiwanuka den Beweis antreten, dass die Soulmusik im Jahr 2024 immer noch voller Geheimnisse sein kann. Nicht dieselbe Tiefe ist hingegen vom Duo Sofi Tukker zu erwarten, dafür hübsche Tanzmucke für die Grossraumdisco. Die Gruppe Kaffkiez hat das Rezept auf Lager, wie sich die deutschsprachige Jugend gleichzeitig zum Hüpfen, zum Saufen und zum Wälzen im Weltschmerz animieren lässt. Und: Die ghanaische Afrobeats-Vedette Amaarae zeigt, wie es klingt, wenn man eine sehr dünne Stimme neben sehr fetten Beats platziert.

Der Donnerstag

Dies ist kein Tag für Puristen. Neben dem Schmalzpop des Afrobeats-Grossmeisters Burna Boy steht eher frostiger Deutsch-New-Wave von Edwin Rosen im Angebot, es gibt Latin Pop der gerade etwas kreativkriselnden kolumbianischen Superstar-Band Bomba Estéreo. Dazu kommt gepflegte Goldkanten-Discomusik von Jungle, und es gibt die neue Schweizer Soul-Sensation Nnavy zu bewundern, die am letzten Montreux Jazz Festival einen gewissen Lionel Richie erschreckend alt hat aussehen lassen.

Der Freitag

Und mit wem kriegen es Patent Ochsner so zu tun? Mit allerhand Franzosen: beispielsweise mit Zaho de Sagazan, einer der grossartigsten französischen Chanson-Modifiziererinnen der Neuzeit. Oder mit den Pariser Oracle Sisters, die einen kauzigen Retro-Soul vollführen. Retro-Soul machen auch Thee Scared Souls, die es mit ihrem Lied «Future Lover» kurvenlos in die Top 10 unserer Lieblingslieder 2022 geschafft haben. In der Lieblingsliederliste des Jahres 2023 ist die Band Kerala Dust mit ihrem eleganten Pop noir vertreten. Und wem der Tag dann doch zu gemütlich wird, dem sei die stets leicht überproduzierte Nachtmusik der Pariser Justice so halbwegs anempfohlen.

Der Samstag

Ein richtiger Superstar wurde nun auch für den Samstag gefunden. Allerdings einer, dessen erquicklichste Phase nun auch schon 20 Jahre zurückliegt. Nelly Furtado war damals die sympathische Antithese zu den grassierenden Retorten-Popstars, vermengte Fado mit Elektronik, setzte eine Mandoline neben Hip-Hop-Beats. Kurz: Die auf den Azoren geborene Sängerin bewies, dass Pop auch ganz viel Unberechenbarkeit verträgt. Seither hat sie sich mit musikalischen Ratgebern umgeben, die sie auf Pop-Durchschnittlichkeit zurechtstutzten. Trotzdem: Auf dieses Wiederhören darf man sich freuen. Noch mehr freuen darf man sich auf die Band Altin Gün, der es zu verdanken ist, dass die türkische Musik der Siebzigerjahre gerade in ganz Europa als hip gilt. Dazu gibts Breitleinwand-Soul-Pop der New Yorkerin Iniko, Skihüttenmusik von Ski Aggu, ein DJ-Set der Disco-Schmierfinken Chromeo, den schnapsseligen Faber und die einst sehr erfrischende Sommer-Pop-Heldin Jain. Ein nettes Paket.

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