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Lucas Braathen gibt sein ComebackSchriller Auftritt mit Rock: Der Skisport hat seinen buntesten Vogel wieder

Mit Kopfsponsor und neuer Heimat: Lucas Braathen im Hangar von Servus TV.

Der Auftritt? Ganz Lucas Braathen. Schwarzer Rock über schwarzen Schlabberhosen, übergrosses blaues Hemd, darüber ein knallgrünes Wolljäckchen, auf dem Kopf eine weisse Mütze, unter der seine Locken hervorlugen. So schreitet der Norweger an diesem Donnerstagvormittag eine Treppe in einer grossen Halle hinunter. Dass diese aus einem Flugzeug führt? Weniger Braathen – und ganz viel Red Bull.

Der Ort, an den der aussergewöhnliche Skifahrer geladen hat, ist nicht zufällig gewählt. Hangar-7 am Salzburg Airport, Studio von Servus TV, Haussender des Energydrink-Giganten. Es ist ein Zeichen, ein dickes Ausrufezeichen Richtung norwegischer Verband. Braathen hat gefunden, wonach er so lange gestrebt und gesucht hat, wofür er so lange gekämpft hat. Ein Umfeld, das ihm die Freiheiten bietet, die ein Freigeist wie er braucht, ohne die Fesseln eines durchstrukturierten Verbandes, in dem der einzelne Athlet nur ein Rädchen ist. Jetzt ist Lucas Braathen die ganze Maschine, um die sich alles dreht.

Erst hat er Ende Oktober dem Skisport den Rücken gekehrt, nun macht er das mit Norwegen. Für Brasilien, das Herkunftsland seiner Mutter, kommt der exzentrische Slalomkünstler nächsten Winter zurück in den Weltcup, als «Tänzer auf Schnee», wie er sich mehrmals nennt. «Du kannst nur tanzen, wenn du frei bist», sagt er einmal in dem Film, der abgespielt wird und von einem seiner prominenten Sponsoren stammt. Die Strassen von São Paulo sind darin zu sehen, Fussball spielende Kinder, Braathen, wie er ins Wasser springt, als DJ die Menge zum Tanzen bringt, wie er im Kraftraum schuftet, Skipisten hinunterrast und Pokale einheimst. Das will er nun also wieder tun.

Das ungute Gefühl am Morgen

Als er am Tag vor dem Saisonstart in Sölden überraschend zurücktrat, tat Braathen das als bester Slalomfahrer der Gegenwart, mit 23, eine erfolgreiche Zukunft vor sich. Er wolle nur das tun, was ihn glücklich mache, sagte er damals. Der Skisport gab ihm das nicht mehr. Im engen Korsett des Traditionssports fühlte sich der Mann zunehmend eingeengt, der mit lackierten Fingernägeln auffiel, mit seinem Halstuch, der Wuschelfrisur, mit den Gesprächen, die sich immer um so vieles drehten – und so wenig um seinen Sport. Braathen brauchte schon immer viel Abstand von den Skipisten, er suchte diesen auf dem Surfbrett und dem Skateboard.

Nach dem radikalen Schnitt im vergangenen Herbst blieb er radikal. Er kündigte seine Wohnung in Oslo, reiste nach Brasilien, wo er einst die Liebe zum Sport entdeckt hatte, dieses Spielerische im Fussball, diesen Rhythmus, der ihm auch im Skisport geblieben ist. Die Gedanken an eine Rückkehr reiften in dem Land, in dem er teils mit seiner Mutter gelebt hatte. Zunehmend hatte er Mühe, Skirennen zu schauen «und nicht mehr Teil dieser Show zu sein. Morgens nicht aufwachen zu können mit dem Ziel, der Beste der Welt zu werden, war hart.»

Braathen wurde immer wieder auf Skipisten gesehen, nicht als Hobbyfahrer, sondern ziemlich ambitioniert, auch hat er in Österreich eine Wohnung bezogen. Und nun also schreitet er in dieser riesigen Halle mit Flugzeugen und Formel-1-Autos die Treppe hinunter, nimmt das Mikrofon in die Hand und redet erst einmal Portugiesisch.

Ein Auftritt ganz à la Braathen und Red Bull: Der Skifahrer schreitet eine Flugzeugtreppe hinunter, mit Rock und Wollcardigan.

Später sitzt der brasilianische Verbandspräsident neben ihm, Anders Pettersson, gebürtiger Schwede, der einst als Langläufer ebenfalls unter brasilianischer Flagge antrat und nun sichtlich stolz ist auf den Coup. «Wir geben Lucas Raum, sich zu verwirklichen, und unterstützen ihn dabei, seine Träume zu leben.» Es ist ein kleiner Seitenhieb Richtung norwegischer Verband. Denn auch wegen eines Streits mit diesem mochte der Athlet nicht mehr.

Wenigstens keine Steine im Weg

Jahrelang kämpfte Braathen dafür, seinen eigenen Kopfsponsor tragen zu dürfen, nicht das Logo der heimischen Telekommunikationsfirma wie alle anderen Landsmänner und -frauen. Er kam nicht durch – wie so viele vor ihm, allen voran Henrik Kristoffersen, der deswegen bis vor Gericht ging. Wenigstens kann dem Verband nicht vorgehalten werden, unter Druck einzuknicken. Gespräche habe es auch nach seinem Rücktritt kaum gegeben, der Nationenwechsel war Braathens einziger Ausweg. Die Norweger aber legten ihm keine Steine in den Weg, er darf die Punkte mitnehmen in die nächste Saison, die er unter norwegischer Flagge gesammelt hat.

Seine Teamkollegen, unter ihnen sein «Ski-Zwilling» Atle Lie McGrath, und die Trainer werde er sehr vermissen, sagt Braathen. Eine Rückkehr ist auch trainingshalber derzeit ausgeschlossen. Braathen wird mit einem eigenen Team unterwegs sein, «mit Leuten, die eine Vision haben, einen positiven Geist, positive Vibes», so sagt er das, ganz Braathen eben. Konkreter wird er nicht, zu viel ist noch vage. Fest steht nur das: Die Skiwelt hat ihren buntesten Vogel zurück, den 23-jährigen Brasilianer Lucas Pinheiro Braathen.