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Umstrittener deutscher Tennisstar Zverev brilliert – aber wieso darf er überhaupt noch spielen?

Die Anschuldigungen gegen ihn spalten die Tennisfans: Alexander Zverev in Melbourne.

In einer Zeit, in der im Profisport jede Aussage gegengelesen und im Zweifelsfall zum PR-Statement umformuliert wird, sind die Interviewräume an Tennisturnieren noch ein Hort der Pressefreiheit. Hier darf jede Frage gestellt werden, sofern sie nicht unter der Gürtellinie ist. Und so lautete die erste Frage, die Alexander Zverev nach seinem mühsamen Zweitrundensieg über den slowakischen Qualifikanten Lukas Klein gestellt bekam: «Werden Sie bei Ihrem bevorstehenden Gerichtstermin persönlich erscheinen?»

Es war nicht die charmanteste Gesprächseröffnung. Aber die Frage interessiert. Nach den Gewaltvorwürfen seiner Ex-Freundin Brenda Patea, mit der er eine Tochter hat, erliess das Berliner Amtsgericht Tiergarten im November 2023 einen Strafbefehl gegen Zverev über 450’000 Euro. Der Deutsche weist die Vorwürfe zurück und akzeptiert den Strafbefehl nicht. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Während des Australian Open wurden nun die Gerichtstermine bekannt: Der erste ist für den 31. Mai angesetzt, bis zum 19. Juli sind acht Verhandlungstage geplant. Der Prozess beginnt am Freitag der ersten Woche von Roland Garros und erstreckt sich bis und mit Wimbledon.

«Wow, was für eine Frage!»

Zverev war von der Frage, ob er an der Verhandlung persönlich teilnehmen werde, wenig angetan. «Wow, was für eine Frage!», sagte er. «Ich habe gerade 4 Stunden und 40 Minuten gespielt. Das ist nicht die erste Frage, die ich hören möchte, um ehrlich zu sein. Ich habe keine Ahnung. Das ist im Mai.»

Man darf annehmen, dass Zverev nicht zum Prozess erscheinen, sondern sich von seinen Anwälten vertreten lassen wird. Seine Anwesenheit ist kein Muss. Er wird in Paris und Wimbledon also spielen können. Doch die Nebengeräusche um seine Person lassen ihn und das Tennis in einem schlechten Licht erscheinen. 

Den Hamburger, der mit der deutschen TV-Moderatorin Sophia Thomalla eine neue Liebe gefunden hat, scheint das nicht gross zu stören. Er spielt gerade das vielleicht beste Tennis seiner Karriere. Nicht viele hätten ihm zugetraut, dass er Jungstar Carlos Alcaraz im Viertelfinal schlagen würde. Und schon gar nicht, dass er ihn so dominiert wie in den ersten zwei Sätzen, in denen er ihm gerade mal vier Games überliess. Vielleicht geht Zverevs Stern ja doch noch auf. «So gewinnt er das Australian Open», jubelte Boris Becker jedenfalls schon einmal auf Eurosport.

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Bisher hatten Zverev, 2021 in Tokio Olympiasieger geworden, an Grand-Slam-Turnieren in den entscheidenden Momenten stets die Nerven einen Streich gespielt. Er verlor fünf seiner ersten sechs Major-Halbfinals. Und als er am US Open 2020 durchkam, verspielte er im Endspiel gegen Dominic Thiem eine 2:0-Satzführung. Jenes Turnier war für beide die grosse Chance, da Roger Federer und Rafael Nadal verletzt fehlten und Novak Djokovic im Achtelfinal nach dem Abschuss einer Linienrichterin mit einem Ball disqualifiziert worden war.

Auf dem Court brilliert er, doch Licht und Schatten gibt es auch im Leben des Alexander Zverev.

In Melbourne bekommt es Zverev im Halbfinal mit Daniil Medwedew zu tun, der es mit seinen Mätzchen schon mehrmals schaffte, Zverev aus dem Konzept zu bringen. In der Netflix-Doku «Break Point» sind die Psychospielchen des Russen schön dokumentiert.

So serviert Zverev im April 2023 in Monte Carlo zum Sieg, als Medwedew einfach so den Netzpfosten herausnimmt, um ihm abzulenken, und sich später eine ausgedehnte WC-Pause gönnt. Zverev nervt sich und gibt die Partie aus der Hand, später sieht man ihn weinend in der Garderobe.

Sorgt Zverevs Siegeszug am Australian Open für Freude bei den deutschen Tennisfans, ist die Begeisterung beim internationalen Publikum wegen seiner Kontroversen ausserhalb der Courts gedämpft. Und auch bei der Männertour ATP wäre man wohl froh, wenn er nicht gerade das Turnier gewinnt. Denn man darf durchaus die Frage stellen, wieso Zverev angesichts der Vorwürfe gegen ihn überhaupt noch spielen darf.

Die ATP könnte ihn suspendieren

Im Verhaltenskodex der ATP steht, dass Spieler die Integrität des Sports nicht kompromittieren dürften. Dazu heisst es unter Punkt 2 d: «Ein Spieler oder eine mit ihm verbundene Person, gegen die eine straf- oder zivilrechtliche Klage angestrengt wird, kann aufgrund dieser Beschuldigung der Integrität des Sports schaden.» Deshalb könne die ATP diese Person «bis zur endgültigen Entscheidung des Straf- oder Zivilverfahrens vorläufig von der weiteren Teilnahme an ATP-Turnieren» ausschliessen.

Damit könnte die ATP theoretisch die Unschuldsvermutung missachten und einen Spieler sperren, obwohl kein rechtskräftiges Gerichtsurteil vorliegt. Der Paragraf ist indes so schwammig formuliert, dass sich daraus keine Handlungsanweisung ableiten lässt. Aber er zeigt doch, wie problematisch die Situation Zverevs für das Tennis ist.

Wollte sich von den Männern keiner konkret zum Fall Zverev äussern, räumte die Weltnummer 1 Iga Swiatek ein, es sei «nicht gut, wenn ein Spieler, der mit solchen Vorwürfen konfrontiert ist, promotet wird». Sie spielte mit ihrer Aussage auf die zweite Staffel von «Break Point» an, die Zverev in den Mittelpunkt stellt. Die Amerikanerin Sloane Stephens sagte, die ATP koche ihr eigenes Süppchen. Es sei gut, finde der Prozess gegen Zverev bald statt. Dann sei die Sache geklärt, und die ATP müsse entscheiden, wie sie damit umgehe.

Bis der Prozess gegen Zverev durch ist, dauert es aber noch rund sechs Monate. Bis da wird immer eine dunkle Wolke über ihm und dem Tennis schweben.