Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

24 Stunden nonstop im SkigebietSie halten Davos am Laufen

Tobia Siorpaes ist Seilbahnmechatroniker. Dank ihm und seinen Kollegen funktionieren die Davoser Skilifte einwandfrei.

5.50 Uhr

Auch auf 2843 Metern klingelt der Wecker unerbittlich. Pascal Racine wirtet im Berghaus oben auf dem Weissfluhgipfel. Er will früh dran sein, bereitet die Plättli für das Morgenessen vor. Bevor die ersten Gäste um 8.45 Uhr mit der Gondel hochkommen, gönnt er sich noch ein paar ruhige Minuten, beobachtet, wie die Sonne über dem Piz Linard aufgeht. «Ruhe, Ausblick, Natur – das macht das Leben aus.» 

7.07 Uhr

Die Parsennbahn spuckt die ersten Mitarbeiter an der Mittelstation aus. Tobia Siorpaes klatscht kurz mit einem Kollegen ab, dann eilt er zum Rapid. Der 6er-Sessel schaufelt täglich Tausende Skifahrer zum Weissfluhjoch. Aber erst, wenn alle Sicherheitschecks absolviert sind. Wenn Seilbahnmechatroniker Siorpaes den Schnee aus der Anlage gekehrt, die Zäune aufgestellt, die Riemen, Reifen und Rollen geprüft hat. Es ist Zwischensaison, die Weihnachtsferien sind gerade vorüber, das WEF steht vor der Tür. Der junge Mann entscheidet, heute nur die Hälfte aller 6er-Sessel einzuhängen. 50 raus, 50 bleiben in der Garage. «Dafür fahren wir mit voller Geschwindigkeit. Das kommt bei den Gästen besser an.» Die ersten stehen um 8.15 Uhr auf der Matte. 

Tobia Siorpaes ist Seilbahnmechatroniker. Seinem täglichen Einsatz verdankt sich, dass die Davoser Skilifte einwandfrei funktionieren.

8.09 Uhr

Vali Meier sieht von seinem Büro, wie die gelbe Kabine der Gipfelbahn mit den ersten Skifahrern nach oben schwebt. Der Pisten- und Sicherheitschef am Parsenn hat da längst die Wetterdaten gecheckt. Fünf Zentimeter Schnee über Nacht waren vorhergesagt, vier sind es geworden. «Sieht gut aus, da müssen wir heute nirgends sprengen.» Was Meier nicht ahnt, als er seiner Lawinenhündin Naira liebevoll über den Kopf streicht: Drei Stunden später wird er unter meterhohem Schnee begraben liegen und auf Rettung warten. 

9.33 Uhr

Bei Parsenn Sport in Davos Dorf rollt die zweite Welle an. «Die Gemütlichen kommen, um ihre Skiausrüstung zu leihen», erklärt Inhaber Boris Bossi. Sie können wählen aus 800 Paar Ski, können Helme testen und die passende Brille dazu mitnehmen. Manche schneien in Jeans rein und gehen in Skikluft raus. Bossi verleiht Hosen und Jacken vor allem an Gäste aus dem arabischen Raum, die einmal im Leben über den Berg rutschen wollen. Manche Touristen zögern kurz, wenn sie den grossen, hellen und eleganten Shop betreten. An einer langen Theke bekommt man Erfrischungsgetränke für 3.50 Franken. Die Mitarbeiter grüssen, verwickeln die Zögerlichen in ein Gespräch. «Meine Leute sollen Gastgeber sein.» Bossi glänzt mit Service, hat sieben Tage die Woche von 7.45 bis 18 Uhr geöffnet. Um 8 Uhr startet die erste Bahn gleich nebenan. 

11.26 Uhr

Seit einer Stunde liegt Vali Meier unter Massen von Schnee im Meierhoftäli. Dann endlich hört er das Scharren von Hundepfoten. Nach wenigen Sekunden taucht die Schnauze des Retters auf. Applaus, Leckerli. Meier schüttelt sich, reckt den Daumen nach oben. Es war eine Lawinenübung, die der Rettungschef alljährlich mit dem Schweizer Militär durchführt. Der Soldat, der vorgesehen war, hat gekniffen. Also sprang Meier ein und liess sich begraben. «Ich mache das seit 30 Jahren, ist kein Problem für mich.» 

Vali Meier lässt sich schon mal unter ein bis zwei Metern Schnee vergraben, damit Lawinenhündin Naira üben kann, wie man im Notfall Verschüttete freibuddelt.

13.10 Uhr

An der Parsennhütte laufen vier Pisten zusammen. Viele Skifahrer haben Hunger. Auf die Terrasse will heute keiner, weil das Wetter mies ist. Aber drinnen gibt es ja auch noch 500 Sitzplätze. Zwischen den ungelenken Wintersportlern in ihren klobigen Schuhen wuseln zwei Dutzend Mitarbeiter, die Teller und Gläser anschleppen. In der Hochsaison frittiert die Küche mehr als 400 Kilo Pommes und köchelt 100 Liter Gerstensuppe. Pro Tag. Schliesslich wollen bis zu 3000 Leute satt werden. 

14.01 Uhr

Das Snowli-Lied schallt durch das Kinderland Carjöl am Jakobshorn. Die Kleinen singen «links, rechts, Schwünge, Riesenspass!». Die Skilehrer tragen bunte Indianerfedern am Helm. Der Kurs für einheimische Kinder läuft schon die ganze Woche. Trotzdem gibt es da und dort Tränen, wenn sich Mamis und Papis verabschieden und mit Kinderwagen zum Schnee-Apéro ins nahe Bolgen Plaza stapfen. Dort nimmt das Après-Ski bereits Fahrt auf. 

15.12 Uhr

Am Eingang des Spitals Davos steht ein herrenloses Paar Ski samt Stöcken und Schuhen. Hans Curd Frei, Chefarzt der Chirurgie, hatte bis dato drei OPs. Zwei Unterschenkelbrüche, ein Achillessehnenriss. In der Hochsaison müssen er und seine Kollegen auch 12- oder 14-mal ran, da kehrt erst gegen 22 Uhr Ruhe im Operationssaal ein. Skifahrer, die ineinanderkrachen. Fussgänger, die auf Eisplatten ausrutschen. Langläufer, die auf die Schulter stürzen. Die Wintersport-Hitliste von Doktor Frei liest sich so: Platz 1 Handgelenk, Rang 2 Sprunggelenk, gefolgt von Knie. Das trifft vor allem Skifahrer. «Der Carvingski ist ein Kniekiller», sagt der sportliche Chirurg, der deswegen aufs Snowboard umgestiegen ist. Wer auf dem Brett stürze, komme in der Regel glimpflicher davon. Zum Abschied sagt der Mediziner: «Das Knie ist nicht fürs Skifahren gemacht, sondern zum Laufen.» 

Manchmal stehen am Skilift in Davos Parsenn auch Hasen an. Entdeckt?

16.24 Uhr

Daniel Brand sitzt mit roten Bäckchen im Büro der Davos Skischool. Brand war bis mittags am Rinerhorn, um mit den neuen Skilehrern zu trainieren. Jetzt macht er am Computer die Einteilung für morgen. Dort sind 180 Skilehrer gespeichert, die er einsetzen kann. Fast die Hälfte ist weiblich, die meisten sind Schweizer, aber viele stammen aus dem Ausland. Slowenen, Deutsche, Italiener, Iren, Norweger, Niederländer. Sogar ein Chinese hat mal eine Saison in Davos gemacht. Der Austausch mit Neuseeland ist mittlerweile eingeschlafen. Der älteste Skilehrer ist 88 Jahre alt. «Kürzlich hat er bei uns gejammert, dass einer seiner Stammgäste nicht mehr so recht will», erzählt Brand schmunzelnd. «Der Stammgast ist 93.» 

Und dann hat man plötzlich das hier vor Augen. Und die kalten Füsse / der Zoff mit dem Chef / die Steuererklärung (bitte Zutreffendes ankreuzen) ist vergessen.

18.35 Uhr

Die Dunkelheit hat Davos bereits verschluckt. Auf der Talabfahrt ist jetzt Arne Steiner unterwegs. Er tanzt mit seinem Pistenbully regelrecht über den Schnee. Rauf, runter, vorwärts, rückwärts, links, rechts. Spielerisch bewegt Steiner den 600 Solar mit seinen 350 PS über zwei Fahrhebel. Für Pflug, Winden und Fräsen gibt es einen Joystick. Steiner macht den Job seit 30 Jahren. Wie seine zehn Kollegen wohnt er am Berg, das Weissfluhjoch ist im Winter seine Heimat. Er schläft am Tag, arbeitet in der Nacht. Manchmal bis vier Uhr am Morgen. Warum dieser Job? «Das hat schon mein Vater gemacht.» Ein bisschen Abenteuer und Freiheit fährt aber auch mit, wenn Steiner in seinen 600 Solar einsteigt. 

22.57 Uhr

DJ Mario legt den letzten Song auf. Die Vollmondparty in der Jatzhütte am Jakobshorn biegt auf die Zielgerade ein. 200 Leute tanzen auf den Tischen. Sie sind mit der Bahn raufgekommen, haben einen Apéro auf der Terrasse genommen, dann gab es Salat und Fondue. Die Flippers sagen jetzt zum Abschied «Danke schön». Wer nicht zu viel getankt hat, schnallt die Ski an, um ins Tal zu kommen. Der Rest marschiert Richtung Bahn. 

2.12 Uhr

Schneimeister Jan Schöner sitzt in seinem Büro auf dem Weissfluhjoch, überwacht die Schneekanonen. Viele sind nicht mehr im Einsatz, die Grundbeschneiung ist längst abgeschlossen. Aber eine Anlage am Schifer droht auszufallen, weil der Wasserdruck nicht mehr stimmt. Schöner schickt zwei Mitarbeiter los, die das Problem beheben sollen. 

5.10 Uhr

Die letzten Gäste taumeln aus der Bolgenschanze. Noch 40 Minuten, bis der Wecker bei Pascal Racine auf dem Weissfluhgipfel klingelt. Und dann: Alles wieder von vorne …

Die Recherchereise für diesen Artikel wurde teils unterstützt von den Dienstleistern, Hotels und der lokalen Tourismusagentur