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100 Jahre Schweizer Jugendherbergen«Was fangen die jungen Menschen mit ihrer Freizeit an?»

Wo der Kopf, wo die Füsse? Massenlager in einer Schweizer Jugendherberge – die hier gezeigten Wolldecken waren von 1924–1960 in Gebrauch.

Man tritt durch die Tür und steht direkt an der Stirnseite eines Kajütenbetts. Unverkennbar ist es, das Herzstück eines jeden Jugi-Mehrbettzimmers, das einem gerade nur so viel Privatsphäre erlaubt, wie sie auf einer 90-Zentimeter-Matratze und unter einem Duvet Platz hat. Unverkennbar sind die ikonische gemusterte Bettwäsche und das Frottee-Leintuch, mit denen man das zugewiesene Bett nach jedem Jugi-Check-in selbst bezieht. 

Die Kajütenbetten sind denn auch das Herzstück der kleinen Sonderausstellung im Museum Schloss Burgdorf zum 100-jährigen Bestehen der Schweizer Jugendherbergen. Sie stehen mitten im Dachstock des Palas-Gebäudes, wo das Museum mit dem Szenografiebüro Groenlandbasel eine Ein-Raum-Ausstellung konzipiert hat. 

Ab ins Bett

«100 Jahre Schweizer Jugendherbergen – Gemeinsam schmatzen, schnarchen, spielen» heisst sie: eine Rückblende auf ein Jahrhundert Jugendtourismus, auf Design- und Architekturgeschichte – und, wie der Ausstellungstitel und die Kajütenbetten in der Raummitte andeuten, auf die Gäste. 

Museumsleiter Daniel Furter sagt: «Wir wollten die Jugi-Gäste ins Zentrum der Ausstellung rücken. Wir zeigen persönliche Einblicke in Lebensgeschichten, die aus Jugi-Aufenthalten entstanden sind.» Entsprechend passend finden diese Einblicke in den Betten statt. Schuhe ausziehen und hinlegen: Mit Screen und Kopfhörer können sich Ausstellungsbesuchende in sechs Videos solche Jugi-Erlebnisse erzählen lassen. 

Im Bett wirds persönlich: Videoporträts mit Geschichten von Jugi-Besuchenden.

Etwa vom Vespa-Club Nidwalden, der jedes Jahr zu Ostern einen Ausflug macht und in einer der Schweizer Jugendherbergen übernachtet. Oder von Heinz Egli, der während der Pandemie eigentlich in den USA weitwandern wollte, es stattdessen dann in der Schweiz machte und in den Jugendherbergen derweil sein Zuhause fand. Oder von Iris Gauckler, die als 84-Jährige auf ein reisefreudiges Leben zurückschaut, in dem sie, wenn immer möglich, in Jugendherbergen übernachtete (und dies immer noch tut). 

Um zu diesen Erlebnissen zu gelangen, lancierten die Schweizer Jugendherbergen Aufrufe auf ihren Kommunikationswegen. Circa 80 Zusendungen seien über die verschiedenen Kanäle eingegangen, erzählt Nina Wild, PR-Verantwortliche der Organisation. «Über vieles wusste ausserdem unser Team am Buchungstelefon Bescheid. Gerade die alljährliche Anfrage des Vespa-Clubs hatte sich schon längst herumgesprochen», so Wild. 

Schlaflager im Stroh und unter Wolldecken

Erfunden haben die Jugendherbergen – nein, nicht etwa die Schweizer – sondern die Deutschen. Dort hatte um die Wende zum 20. Jahrhundert die Wandervogel-Bewegung Fuss gefasst: eine Gruppe junger, städtischer Menschen, die aus der bürgerlichen Enge und den Zwängen der Industrialisierung fliehen wollten. Angeregt durch Ideale der Romantik, streiften die Wandervögel durch die Natur, um ihre eigene Lebensart zu erfinden. 

Erst allmählich entwickelte sich im Zuge der Industrialisierung auch das Konzept von Freizeit. Aus zuerst eintägigen Wanderungen wurden zweitägige – und damit kam der Bedarf für Übernachtungsmöglichkeiten. 1914 eröffnete die erste Jugendherberge in der deutschen Burg Altena, zehn Jahre später zog die Schweiz nach. In Zürich-Wollishofen, Valbella und Fällanden eröffneten die ersten Jugis in der Schweiz, viele weitere kamen im Lauf der Jahre dazu. Heute sind es deren 49. 

Ran an den Herd: Ein junger Mann am Ofen in der Jugendherberge Burg Rotberg bei Mariastein (SO), 1940.
Gemeinschaft war von jeher wichtig in den Jugendherbergen. Hier in der Jugi Zürich-Wollishofen, aufgenommen 1969.
Anstehen an der Réception, um einen der begehrten Schlafplätze zu ergattern: Zürich-Wollishofen, 1988.

Per Definition ist eine Jugendherberge eine günstige Übernachtungsmöglichkeit mit Kocheinrichtung und Aufenthaltsraum. Günstig heisst entsprechend: kein übertriebener Komfort. Übernachtet wurde in den ersten Jahren in Schlaflagern im Stroh und unter Wolldecken, später dann in Massenlagern (selbstverständlich geschlechtergetrennt), wo die Bettwäsche nur sporadisch gewaschen wurde und deshalb der Gebrauch von Baumwollschlafsäcken obligatorisch war. 

Vom Selberkochen bis zur Halbpension mit Abendessen um Punkt halb sieben Uhr, vom Schlaf im Stroh bis zum Bett mit frischer Wäsche, vom ungeheizten Lagerhaus bis zur ersten Wellness-Jugi: Ein äusserst kurzweiliger, 12-minütiger Film, projiziert auf die Stirnseite des Dachzimmers, fasst in der Ausstellung in Burgdorf die Geschichte der Jugendherbergen zusammen. «Was fangen die jungen Menschen mit ihrer Freizeit an?», fragt etwa ein Reporter in einem Originalbeitrag aus den 40er-Jahren, um dann über das Idyll der Gemeinschaft zu berichten, das die Jugend so neuartig lebt. 

«Unzerstörbare» Stühle

Nicht zuletzt geht es bei den Jugendherbergen auch um 100 Jahre Design und Architektur. Auch davon erzählt die Ausstellung: Mit einer Zeitreise durch die Designs der Bettanzüge etwa, oder mit Original Jugi-Stühlen aus den 1960er-Jahren. Diese stehen vor der Videowand als Sitzmöglichkeit bereit. Schliesslich habe der Designer Gian-Franco Legler damals den Auftrag erhalten, «unzerstörbare» Sitzmöglichkeiten zu gestalten, sagt Daniel Furter dazu. 

Gebrauchsgegenstand, gleichzeitig Exponat: Die Stühle von Gian-Franco Legler.

Die Reise durch die Geschichte der Schweizer Jugendherbergen ist eine Reise durch 100 Jahre Schweizer – nein – eigentlich fast ein bisschen Weltgeschichte. Denn was einst für die wenig vermögende hiesige Jugend etabliert wurde, ist längst zu einer beliebten Logiermöglichkeit für Menschen allen Alters und Herkunft geworden.

Die spontane Übernachtung ist gerade deshalb heute nicht mehr so einfach wie früher. Denn die Nachfrage nach den Kajütenbetten ist gross. 

Museum Schloss Burgdorf, bis 29. Dezember 2024

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